Afghanistan ist nach der Machtübernahme der Taliban nur das jüngste Beispiel für die drohende weitere Einschränkung der weltweiten Religionsfreiheit. Seit Jahren steht es immer schlechter um dieses Grundrecht.
Laut dem im Oktober 2020 vorgelegten zweiten Bericht der Bundesregierung zum Thema leben drei von vier Menschen weltweit in einem Land, in dem ihre Religions- und Weltanschauungsfreiheit eingeschränkt wird. Zugleich sagen mehr als 80 Prozent von sich, sie seien religiös. Christen sind als größte Glaubensgemeinschaft besonders betroffen von Verfolgung und Einschränkungen, aber auch Angehörige anderer Religionen wie Muslime, Juden oder Jesiden.
In der ablaufenden Wahlperiode war die weltweite Religionsfreiheit mehrfach Thema im Bundestag. Auf Initiative der Union berief die Bundesregierung mit Markus Grübel (CDU) erstmals einen Beauftragten für das Thema, angebunden an das Entwicklungsministerium. Fraktionsübergreifend setzten sich im vergangenen Jahr 135 Bundestagsabgeordnete dafür ein, dass das vergleichbare Amt auf EU-Ebene weitergeführt wird - mit Erfolg.
In vielen Teilen der Welt besorgniserregend
Und doch bleibt die Entwicklung in vielen Teilen der Welt besorgniserregend. Auch in Deutschland stieg zuletzt die Zahl der Straftaten gegen Juden und Muslime. Dazu findet sich erwartungsgemäß einiges in den Wahlprogrammen der im Bundestag vertretenen Parteien. Wenn es um weltweite Religionsfreiheit geht, bleibt es hingegen bei allgemeinen Bekenntnissen.
Etwas konkreter war da immerhin ein im April mit den Stimmen von Union und SPD gefasster Bundestagsbeschluss, der die Regierung auffordert, sich insbesondere in der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik sowie in der Außenwirtschafts- und Handelspolitik weiter für Religionsfreiheit einzusetzen. Auch soll die Zusammenarbeit mit Religionsgemeinschaften verstärkt werden, "um ihre friedensstiftenden Potenziale zu fördern und gemeinsam zu nutzen." Außerdem fordert der Beschluss, das Amt des Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit weiter zu besetzen.
Diese Forderung unterstützen auch der religionspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Benjamin Strasser, und dessen Linkspartei-Pendant Christine Buchholz. Beide betonen aber zugleich, dass sich der Beauftragte künftig auch mehr um die Situation in Deutschland und Europa kümmern müsse. Dem schließt sich ebenso Konstantin von Notz von den Grünen an, der zugleich ausdrücklich eine Aufwertung des Amts der Menschenrechtsbeauftragten fordert. "Wer die Religionsfreiheit verteidigt, muss selbstverständlich auch alle anderen Menschen- und Freiheitsrechte im Blick behalten", sagt er, und: "Eine glaubwürdige menschenrechtsbasierte Außenpolitik beginnt vor der eigenen Haustür."
Forderung nach Abschaffung des Blasphemie-Paragraf
Im "Wahlcheck" des katholischen Hilfswerks missio Aachen haben die Grünen deutlich gemacht, was sie darunter unter anderem verstehen: Der sogenannte Blasphemie-Paragraf 166 des Strafgesetzbuches soll ihrer Meinung nach abgeschafft werden, damit Deutschland glaubwürdiger gegen Blasphemiegesetze in anderen Ländern eintreten könne. Auch die Linkspartei gibt an, für die Abschaffung solcher Gesetze zu streiten. Die Union bekennt sich zu international abgestimmten Sanktionen, vor allem wenn ein Massen- oder Völkermord droht.
Der Religionsbeauftragte der Unionsfraktion, Hermann Gröhe (CDU), sagt indes ebenfalls, Religionsfreiheit könne nicht getrennt von anderen Menschenrechten diskutiert werden. Ziel der Union sei, nach der Wahl auch das Amt des Religionsfreiheitsbeauftragten auf EU-Ebene zu stärken. "Blicken wir nach Afghanistan, aber auch auf die besorgniserregenden Zustände im Iran, in Pakistan oder in China, sehen wir deutlich, da steht uns allen eine Daueraufgabe bevor", mahnt Gröhe.
Für die SPD erklärt Lars Castellucci, der Einsatz für Religions- und Weltanschauungsfreiheit sei ein Einsatz für den Frieden. Dieser müsse aktiv sein und den Menschen nicht nur ein Recht zugestehen, sondern ihnen ermöglichen, es auch auszuleben. Und er müsse sich dem Miteinander der Religionen widmen. "Religionsfreiheit heißt aber auch, dass es je nach persönlicher Einstellung auch ohne Religion geht", betont der SPD-Politiker.
Und wie hält es der aktuelle deutsche Beauftragte Grübel selbst? Er würde sich für eine weitere Amtszeit in die Pflicht nehmen lassen, wie er sagt. Deutschland müsse seinen Einsatz zum Schutz religiös Verfolgter weiter ausbauen. Seinen nächsten Bericht würde Grübel gemäß dem Bundestagsbeschluss vom April an die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung anknüpfen. Erforderlich sei "ein Ausbau der konstruktiven Zusammenarbeit mit ausgewählten religiösen Akteuren weltweit", sagt der CDU-Politiker.