Es war vor drei Jahren die erste große Krise der großen Koalition: Die SPD wollte im Strafrecht den Passus zum Werbeverbot für Abtreibungen ganz streichen, die Union wollte nichts daran ändern. Am Ende einigten sich die Regierungsfraktionen auf einen Kompromiss: Schwangere Frauen sollten leichter Zugang zu Informationen über Ärzte erhalten, die Abtreibungen durchführen. Zudem sollte die Rechtssicherheit für Ärzte gestärkt werden. Vor zweieinhalb Jahren beschloss der Bundestag die Änderungen.
Initiative für Streichung des Paragrafen
Der Bundesrat befasst sich in seiner Sitzung am Freitag erneut mit dem entsprechenden Paragrafen 219a. Die Initiative für eine Streichung des Paragrafen kommt von den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen und Bremen, in denen die SPD oder die Linke den Regierungschef stellen. Sie haben den Gesetzesantrag bereits 2017 eingebracht. Nun haben die Fachausschüsse ihre Beratungen abgeschlossen und die Länder müssen darüber abstimmen.
Auslöser für die Debatte vor drei Jahren war ein Gerichtsurteil: Das Amtsgericht Gießen verurteilte Ende 2017 die Ärztin Kristina Hänel wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe. Abtreibungsgegner hatten entdeckt, dass sie auf ihrer Website auf das Angebot von Abbrüchen hinweist, und Hänel angezeigt. Die Ärztin machte ihren Fall öffentlich. Inzwischen liegt er beim Bundesverfassungsgericht, dort steht eine Entscheidung noch aus.
Reform angestrebt ...
Die große Koalition einigte sich auf die Reform - grundlegend befriedet war der Konflikt damit aber nicht. In ihren Wahlprogrammen haben sich fast alle Parteien wieder damit beschäftigt. Darin erklären alle im Bundestag vertretenen Parteien außer der Union und der AfD, dass sie die ersatzlose Streichung des Paragrafen 219a wollen.
SPD, Linken und Grünen geht es aber nicht nur um das Werbeverbot: Sie setzen sich dafür ein, auch den gesamten Paragrafen 218 - das Verbot von Abtreibungen - aus dem Strafgesetzbuch zu verbannen. Der aktuelle Paragraf war nach der Einheit 1995 eine hart errungene Kompromisslösung. Inhaltlich besagt er, dass eine Abtreibung in Deutschland in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft zwar grundsätzlich verboten, aber unter bestimmten Umständen straffrei ist. Dazu gehört, dass sich die schwangere Frau zuvor in einer Beratungsstelle beraten lässt, die ihr dann eine entsprechende Bescheinigung ausstellt.
Katholische Kirche befürwortet Paragrafen 219a
Befürworter des Paragrafen 219a, dazu zählt auch die katholische Kirche, heben unter anderem hervor, dass Abtreibung nicht als normale Dienstleistung angesehen werden dürfe. Erst in dieser Woche äußerte sich Papst Franziskus auf dem Rückflug aus der Slowakei dazu und erklärte, dass Abtreibung mehr als ein Problem sei. "Das ist Tötung", so der Papst.
Eine eigene Begründung dafür, dass sich die Länder nun mit dem Paragrafen befassen, liefert die Bundesvorsitzende der "Aktion Lebensrecht für Alle", Cornelia Kaminski. Sie sagte der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost", die fünf Bundesländer wollten mit der Initiative die Aufmerksamkeit der Medien vom "Marsch für das Leben" ablenken, der am Samstag in Berlin stattfindet. Bei der Demonstration im Zentrum der Hauptstadt protestieren alljährlich mehrere Tausend Teilnehmer aus ganz Deutschland gegen Abtreibung und aktive Sterbehilfe.
Für die fünf Länder ist nach ihrer eigenen Darstellung dagegen klar, dass der Paragraf nicht mehr zeitgemäß sei. Das Verbot widerspreche den heutigen Vorstellungen von Informationsfreiheit, Selbstbestimmung und freier Arztwahl. Falls die Mehrheit der Länder der Initiative nun zustimmt, wird sie in den Bundestag eingebracht. Dann werden sich die Parlamentarier in der neuen Legislaturperiode erneut mit dem Paragrafen beschäftigen.