Gauck pocht auf mehr Toleranz gegenüber Andersdenkenden

Abseits der Mehrheitsmeinung

Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat sich für einen "erweiterten Toleranzbegriff nach rechts" ausgesprochen. Es sei noch kein Rassist, wer Bedenken gegen Einwanderung erhebe. Er äußerte sich bei der Jahrestagung der Görres-Gesellschaft. 

Altbundespräsident Joachim Gauck / © Werner Schüring (KNA)
Altbundespräsident Joachim Gauck / © Werner Schüring ( KNA )

Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat zu mehr Toleranz im Umgang mit Andersdenkenden aufgerufen. "Solange Auffassungen nicht extremistisch sind, den Gesetzen nicht widersprechen und sie keine Gefährdung für die Demokratie bilden, wäre es töricht, Menschen in Distanz zu treiben", erklärte Gauck am Sonntag in Berlin.

Dies geschehe augenblicklich "nicht selten". Menschen würden ins Abseits gedrängt, "indem man sie als extremistisch diskriminiert, wenn sie sich abseits der Mehrheitsmeinung positionieren". Zugleich bedeutete Toleranz aber auch nicht automatisch "wertschätzende Anerkennung".

Gauck äußerte sich bei der Jahrestagung der Görres-Gesellschaft, die sowohl in Präsenz in Berlin als auch online stattfand. Dabei widmeten sich Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen in vielen Vorträgen dem Thema "Toleranz? Herausforderungen und Gefahren".

Nicht gleich mit Ausschluss reagieren

Gauck sprach sich für einen "erweiterten Toleranzbegriff nach rechts aus" und führte aus, es sei noch "kein Rassist, wer Bedenken gegen Einwanderung erhebt". Es sei "kein Feind der Demokratie, wer gegen - wohl gemerkt: gut begründete und parlamentarisch legitimierte - Freiheitseinschränkungen der Regierung demonstriert". Solange die Demokratie selbst nicht in Frage gestellt werde, sollte auf abweichende und unter Umständen auch radikale Meinungen nicht gleich mit Intoleranz, Ausschluss und Verbot reagiert werden.

Mit Blick auf die AfD erklärte er: "Natürlich ärgere ich mich über die Menschen, die die AfD wählen". Und: "Ich brauche diese Partei nicht." Gleichzeitig sei sie in den Bundestag gewählt worden. "Wir müssen uns also einen Umgang zulegen. Ich möchte, dass wir mit diesen Leuten streiten, die ich als Verführer kennzeichnen möchte." Er plädierte dafür, dass die Moderne auch für diejenigen Heimat bleiben müsse, die sich über den forcierten Wandel überfordert fühlten. Die Mitglieder und Wähler der Partei könnten nicht alle als Nazis abgestempelt werden. "Das entspricht nicht der Wahrheit", so Gauck.

Ehrung für Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter

Zugleich gebe es Grenzen der Toleranz. Intoleranz gegenüber den Grundprinzipien der freiheitlichen Demokratie könne nur mit Intoleranz begegnet werden, so Gauck. Wer Hass schüre und Straftaten begehe, müsse konsequent durch die rechtsstaatlichen Institutionen zur Rechenschaft gezogen werden.

Im Rahmen der Festveranstaltung erhielt der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter den Ehrenring der Görres-Gesellschaft. In seiner Laudatio würdigte ihn der frühere Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk) und ehemalige bayerische Kultusminister, Hans Maier. Oberreuter gehöre zu den angesehensten Politik- und Kommunikationswissenschaftlern der Bundesrepublik.

Zusammenschluss christlich orientierter Wissenschaftler

Die Görres-Gesellschaft ist ein Zusammenschluss christlich orientierter Wissenschaftler. Dem Zusammenschluss gehören heute rund 2.800 Wissenschaftler. Die Gesellschaft ist nach eigenen Angaben die mitgliederstärkste Wissenschaftlervereinigung im deutschsprachigen Raum.

Der frühere Generalsekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, erklärte im Festgottesdienst, dass Toleranz stets "starke Positionen voraussetze". Ansonsten sei es eine "billige Toleranz". "Wenn ich selbst nicht entschieden bin und mich selbst nicht ernst nehme, wird mich auf Dauer niemand mehr ernstnehmen", so Langendörfer.


Quelle:
KNA
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