Am kommenden Sonntag tritt das sogenannte Plenarkonzil der katholischen Kirche in Australien zu seiner ersten Vollversammlung zusammen - vereinfacht gesagt: ein Synodaler Weg Down Under. Der Befund für den Katholizismus dort ist ernüchternd: Obwohl mit rund 25 Prozent die bei weitem größte Religionsgemeinschaft des säkular geprägten Landes, ist ihr Ansehen in den vergangenen Jahren eklatant gesunken. Grund dafür ist der Skandal um sexuellen Missbrauch, auf den die Verantwortlichen über Jahre trotz breiter Untersuchungen und Studien keine überzeugenden Antworten gefunden haben.
Als "total" beschrieb schon 2017 der Jesuit und Psychologe Hans Zollner, Gründungsmitglied der päpstlichen Kinderschutzkommission, den Vertrauensverlust der Australier in die Kirchenführung. Ein solches "Null-Vertrauen" in einem Land mit etwa fünf Millionen nominellen Katholiken sei einzigartig in der westlichen Welt, so Zollner damals in einem Gastbeitrag für die Zeitung der Erzdiözese Brisbane, "The Catholic Leader".
Beginn des Nationalkonzils
Wegen der Corona-Pandemie musste der Beginn des Nationalkonzils mehrfach verschoben werden. Nun soll es endlich losgehen. In der ersten Phase der Anhörung haben sich landesweit rund 220.000 Menschen beteiligt und 17.500 Einzel- und Gruppenbeiträge eingereicht. Im Vorfeld der ersten Vollversammlung lässt eine Wortmeldung besonders aufhorchen - auch mit Blick auf die Fortsetzung des Synodalen Weges in Deutschland ab Donnerstag. Die in Freiburg erscheinende "Herder-Korrespondenz" (Oktober) veröffentlichte einen langen Beitrag des Bischofs von Parramatta, Vincent Long, basierend auf einer "Dom Helder Camara"-Vorlesung Ende Juni am Newman College der Universität Melbourne.
Neugründung statt Erneuerung der Kirche
Der 59-jährige Long, mit 19 Jahren Bootsflüchtling aus Vietnam, selbst Opfer kirchlichen Missbrauchs und für seine nachdenklichen, kirchenselbstkritischen Einlassungen bekannt, plädiert darin für nicht weniger als eine Neugründung statt Erneuerung der Kirche. Von der Synode erhofft er sich nicht kosmetische Veränderungen, sondern einen radikalen Umbau der Kirche zu einer "egalitären Modell-Gemeinschaft", in der Macht, Dominanz und Privilegien keine Bedeutung mehr haben dürften.
Der Ordensmann der Franziskaner-Konventualen wurde 2016 von Papst Franziskus ernannt - und ist damit ein besonders franziskanischer Franziskaner. 2017 machte er Schlagzeilen mit einem Hirtenbrief, in dem er kirchliches Nicht-Nein zum Thema "Homo-Ehe" sprach. Die Gläubigen forderte er darin vor der staatlichen Befragung über die Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen zu einer echten Gewissensprüfung auf.
Long betonte, er stehe dazu, dass die Ehe eine Verbindung von Mann und Frau sei. Er erinnerte aber auch an das Versprechen, das er bei seinem Amtsantritt gegeben habe: Er stehe für eine Kirche, die "weniger eine Erfahrung von Ausgeschlossensein vermittelt als vielmehr eine Begegnung mit radikaler Liebe, Inklusion und Solidarität".
In seiner Helder-Camara-Vorlesung nun beschreibt Long, nur wenige Katholiken hätten "noch Lust auf kosmetische Veränderungen, Mittelmäßigkeit oder, schlimmer noch, ein restauratives Vorgehen, das sich als Erneuerung verkleidet". Die Kirche leide "unter der Last des alten kirchlichen Paradigmas von klerikaler Ordnung, Kontrolle und Hegemonie mit einer Vorliebe für Triumphalismus, selbstreferenziellen Pomp und Selbstgefälligkeit". Sie sei durch die Missbrauchskrise "gedemütigt und fast zur Bedeutungslosigkeit verdammt" worden.
Große Beteiligung im Vorfeld des Plenarkonzils
Die große Beteiligung im Vorfeld des Plenarkonzils wertet der Bischof als ein Zeichen von Erwachsenwerden: "Die australischen Katholiken wachsen von passiven und unterwürfigen zu mitverantwortlichen Akteuren für die Umgestaltung der Kirche heran." Long fordert nicht einfach eine Erneuerung, sondern innere Umkehr, eine "radikale Revolution unserer Denk- und Handlungsmuster" und - mit dem neuseeländischen Theologen Gerald Arbuckle - eine "Neugründung statt Erneuerung".
Der Bischof vergleicht die Lage der australischen Christen nach der großen staatlichen Missbrauchsuntersuchung mit der der Juden nach dem Exil: "Wie das neue Jerusalem, von dem die Propheten im Exil sprachen, wird die Zukunft der Kirche keine Wiederholung des Vergangenen sein. Es geht nicht um ein Restaurationsprojekt." Es brauche "den Mut, neue Dinge zu tun", um neue Horizonte zu erreichen.
Und biblisch, im Rückgriff auf Moses und den Auszug aus Ägypten, fährt der einstige Bootsflüchtling auch fort und argumentiert: "Unsere Gründungsgeschichten sind Geschichten der Emanzipation und der Befreiung." Das "Modell der Kirche, das auf klerikaler Vorherrschaft beruht", habe sich überlebt. Da es "tief in patriarchalische und monarchische Strukturen eingebettet" sei, könne es für die demokratische Welt von heute nicht mehr helfen.
Fragen wie die Beteiligung von Laien, die Rolle der Frau oder der Klerikerzölibat seien wichtig und müssten offen diskutiert werden, so Long. Viel wichtiger aber sei, "sich auszumalen, wie eine neue Weise, Kirche in der Welt zu sein, aussehen könnte". Denn die "alten Schläuche von Triumphalismus, Autoritarismus und Vorherrschaft" zerfielen. Ein neuer Wein - "radikale Inklusivität und Gleichberechtigung" - müsse in neue Schläuche gegossen werden, nämlich "Demut, Gegenseitigkeit, Mitgefühl ohne Machtausübung".
Die Kirche, so ist Long überzeugt, könne "nur dann zu einer prophetischen Stimme in der Gesellschaft werden, wenn sie es schafft, als egalitäre Modell-Gemeinschaft selbst Vorbild zu sein". Die Kirche verarme etwa, solange sie weiterhin Frauen und LGBTQ+ in Sprache, Liturgie, Theologie und Kirchenrecht "unsichtbar" mache.
"Ein langer und kurvenreicher Weg"
Der Franziskaner wirbt für ein Bild von Kirche, wie es "dank der prophetischen Führung von Papst Franziskus" im Aufwind sei. Und er erinnert an den Ruf Gottes an den heiligen Ordensgründer Franziskus: "Geh und baue meine Kirche wieder auf, die in Trümmern liegt". Die Kirche habe die meiste Zeit in der Geschichte versucht, groß, mächtig und dominant zu sein. "Und doch zeigte sie sich von ihrer besten Seite, als sie arm, verfolgt und machtlos war", so Long. Die frühe Kirche der Katakomben habe den Menschen am ehesten Hoffnung gegeben.
Es sei kein Zufall, dass Erzbischof Camara und viele seiner Amtsbrüder aus Lateinamerika beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) den sogenannten "Katakombenpakt" schlossen, um "den ursprünglichen und radikalen Geist der frühesten christlichen Bewegung wiederzuerlangen". Der australische Bischof räumt ein, es könne "ein langer und kurvenreicher Weg" hin zu einer armen und bescheidenen, aber wirkmächtigen Kirche sein. Doch mit Teilhard de Chardin schreibt er: "Die einzige Aufgabe, die unserer Anstrengungen würdig ist, ist der Aufbau der Zukunft".