Wenn die Teilnehmer des Synodalen Wegs ab diesem Donnerstag in Frankfurt zur zweiten Vollversammlung zusammenkommen, sind nicht nur 20 Monate seit der letzten physischen Zusammenkunft aller 230 Delegierten ins Land gegangen, sondern auch zahlreiche konstruktive Debatten und manche Grabenkämpfe.
Nun scheint beim Reformdialog der katholischen Kirche in Deutschland die Zeit einer ersten Ernte gekommen zu sein. Und so stehen auf dem offiziellen Programm vom 30. September bis 2. Oktober nicht weniger als 16 Papiere in Erster Lesung zur Diskussion.
In Foren aufgeteilt
Erarbeitet wurden sie in den vier Arbeitsgruppen ("Foren") zu Macht, priesterlicher Lebensform, Sexualmoral sowie zur Rolle von Frauen in der Kirche. Doch nicht nur die schiere Menge an Dokumenten dürfte den Synodalen den Schweiß auf die Stirn treiben, sondern auch die im unmittelbaren Vorfeld des Treffens massiven Vorwürfe von Kritikern des Synodalen Wegs, die sich um den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer und den Passauer Bischof Stefan Oster formieren.
Konkret geht es um theologische Inhalte, die Sorge um die Einheit der Kirche und um die Diskussionskultur. Die Kritiker taten ihre Einwände nicht per Eingabe ans Synodalbüro kund, sondern schalteten unter www.synodale-beitrage.de eine eigene Plattform frei. Die Vollversammlung dürfte wohl der beste Ort sein, um über die unterschiedlichen Einschätzungen konstruktiv weiter zu sprechen - wenn dafür Zeit bleibt.
Denn im Mittelpunkt stehen die von den Foren erarbeiteten sogenannten Grundtexte, die auf maximal 40 Seiten einen Überblick über das jeweilige Thema bieten sollen, sowie konkrete Vorschläge in den dazugehörigen Handlungstexten, die das Sekretariat des Synodalen Wegs auf eine Obergrenze von fünf Seiten beschränkt. Um es vorwegzunehmen: Diese Vorgaben werden meistens eingehalten. Davon unabhängig werden aber selbst Fachleute an manchen Sätzen schwer zu kauen haben. Eine Kostprobe: "Der Rekurs auf die Heilige Schrift braucht eine valide biblische Hermeneutik auf der Höhe des exegetischen state of the art."
Gibt es Mehrheiten?
Aus dem Forum Macht hieß es immer wieder, dass die Vorarbeiten zügig vorangingen. Die Ergebnisse scheinen das zu bestätigen. Neben dem Grundtext liegen nicht weniger als acht Handlungstexte vor. Für Diskussionen wird vermutlich der Ruf nach einer stärkeren Beteiligung von katholischen Laien bei der Bestellung von Bischöfen sorgen. Auch der Vorstoß, Frauen das Predigen im Rahmen einer Eucharistiefeier zu erlauben, könnte auf Widerstand bei konservativen Vertretern stoßen.
Im Grundtext heißt es lapidar, "dass mehrheitlich beschlossene Empfehlungen und Entscheidungen auch von denen mitgetragen werden, die selbst anders votiert haben". Das berührt eine Kernfrage des Synodalen Wegs: Inwieweit und mit welchen Mehrheiten können die dort gefassten Beschlüsse ihre Wirksamkeit entfalten? Und was geschieht, wenn eine Minderheit von Synodalen die Texte vehement ablehnt oder gar für Irrlehren hält?
Mit zwölf Seiten hat das Priester-Forum den kürzesten Grundtext vorgelegt. Nachdenkliche Töne herrschen vor. Die Folgen des Missbrauchsskandals als Auslöser für den Synodalen Weg werden offen benannt - an erster Stelle steht das Leid der Betroffenen. Es folgt eine schonungslose Bestandsaufnahme dessen, was man einen schon seit längerer Zeit anhaltenden priesterlichen Imageverlust nennen könnte.
Was zeichnet Priester heute noch aus, und wie können sie "Christusnachfolge in dieser Zeit in dieser Gesellschaft" leben? Mit dieser Frage endet der Text - und dürfte mit seinen offenen Formulierungen auf breite Zustimmung im Plenum stoßen.
Die beiden Foren "Sexualität" und "Frauen" legten nach langen Debatten ebenfalls Beschlussvorlagen vor, die Chancen auf die nötigen Zweidrittel-Mehrheiten der Vollversammlung und der Bischöfe haben dürften. Getragen sind sie von dem Gedanken, etwas voranzubringen und nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu definieren.
Die Forderung nach einer Sexualmoral, die der Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert entspricht, war von Anfang an eine treibende Kraft im Reformprojekt des Synodalen Wegs. Die Beschlussvorlage der zuständigen Arbeitsgruppe hat das Potenzial, zu einem Meilenstein in der Entwicklung der katholischen Moraltheologie zu werden.
Es gibt auch Kritik
Allerdings hat eine Minderheit um den Passauer Bischof Stefan Oster inzwischen bekundet, dass sie sich in Teilen des Dokuments nicht wiederfindet. Dort weiche der Text vom bisherigen christlichen Menschenbild ab, so ihre Kritik. Allerdings finden sich in anderen Teilen Spuren des intensiven moraltheologischen Ringens zwischen den Vertretern der geltenden kirchlichen Lehre und jenen, die auf das Prinzip "verantwortete Freiheit" setzen. Einige Vorschläge lassen die in Enzykliken und im Katechismus formulierten Lehren der Kirche unmissverständlich hinter sich.
Das Frauen-Forum konnte sich zwar noch nicht auf einen Grundtext verständigen, setzt aber mit drei Handlungstexten darauf, das im bestehenden kirchenrechtlichen Rahmen Mögliche auszuschöpfen.
Konkret: Über die Bande der Leitungsmöglichkeiten von Laien allgemein spielen und dafür sorgen, dass Frauen dort angemessen repräsentiert sind, etwa in den neuen Modellen von Leitungsteams in Pfarreien.
Auch soll die Förderung von Frauen in der wissenschaftlichen Theologie vorangebracht werden, verbunden mit dem Appell an die Bischöfe für entsprechende Stipendien und bezahlte Freistellungen Sorge zu tragen. Schließlich fordert die Arbeitsgruppe noch, den internationalen Austausch über die theologischen Argumentationen zur Teilhabe von Frauen an kirchlichen Diensten und Ämtern sowie Genderfragen zu befördern. Ziel sei, Bischofskonferenzen weltweit darüber ins Nachdenken zu bringen und Prozesse anzustoßen, die die Debatte öffnen.
Und wie geht es nun weiter?
Wie geht es nun weiter? Es steht nicht zu erwarten, das bei der anstehenden Synodalversammlung in Frankfurt schon die vorliegenden Papiere beschlossen werden. Nach einer Ersten Lesung soll im kommenden Frühjahr die Zweite Lesung folgen. Aller Voraussicht nach wird aber mehr und mehr sichtbar werden, in welche Richtung die Reise geht.
Auf internationaler Ebene hat die Debatte über die Zukunft der Kirche unterdessen eine ganz neue Dynamik bekommen. Im Oktober wird Papst Franziskus einen zweijährigen Diskussionsprozess starten, der 2023 in eine Weltbischofssynode mündet. Ausdrücklich ermuntert Franziskus alle Katholiken, an den Debatten teilzunehmen.
Anders als beim Synodalen Weg bleiben hier die Bischöfe eindeutig die Herren des Geschehens. Sie sind es allerdings auch, die nach geltendem Kirchenrecht Änderungen bei jenen großen Reformprojekten in Kraft setzen könnten, die weiter über dem Synodalen Weg schweben: den Zugang von Frauen zu kirchlichen Weiheämtern, eine Neufassung der kirchlichen Sexualmoral oder eine Abschaffung der verpflichtenden Ehelosigkeit von Priestern.