DOMRADIO.DE: Anders als geplant mussten die Abstimmungen in Frankfurt vorzeitig beendet werden, weil nicht mehr die nötigen zwei Drittel des Plenums anwesend waren. Woran hat das gelegen? War das mangelndes Interesse?
Renardo Schlegelmilch (DOMRADIO.DE-Redakteur, hat die Synodalversammlung begleitet): Ich vermute mal, einigen der Synodalen ist nicht so ganz bewusst, welche Tragweite das hat, was sie da veranstalten. Wenn denen wirklich klar ist, wir treffen hier Entscheidungen, die im besten Falle, wie sich das einige wünschen, dazu führen, dass die katholische Lehre in einigen Bereichen weiterentwickelt wird, dann müsste man eigentlich auch die Disziplin haben und das als etwas anderes betrachten als irgendeinen Kongress von irgendeinem Verband, wo man sich auf den Heimweg macht, weil man Samstagmittag oder Samstagabend zu Hause sein will.
Das sehe nicht nur ich so. Das haben auch Bischof Bätzing und Thomas Sternberg als die zwei Präsidenten des Synodalen Wegs ganz deutlich gesagt: Wir sind sehr verärgert und das geht so nicht. Ich vermute mal, sie haben auch die Implikationen im Kopf, die das nach außen sendet. Wenn man auf der einen Seite fast schon eine Revolution ausruft in der katholischen Kirche, aber auf der anderen Seite das Signal sendet: Anscheinend ist es einem großen Teil unserer Synodalversammlung nicht so wichtig, dass man sich dafür den halben Samstag freinimmt.
DOMRADIO.DE: Dabei hat Bischof Bätzing als Vorsitzender dieser Abstimmung die Beschlussfähigkeit selbst beantragt. Warum hat er das dann nicht einfach sein lassen?
Schlegelmilch: Wir wissen, dass es konservative Kreise gibt, die jede Entscheidung haargenau mit der Lupe überprüfen, ob das alles 100 Prozent rechtens ist und 100 Prozent nach der Satzung abläuft. Da gibt es an das Organisationsteam fast regelmäßig Eingebungen: Hier hat irgendjemand drei Minuten zu lang geredet, dieser Text ist zwei Zeilen zu kurz und so weiter.
Und wenn man schon weiß, dass da so eine Aufmerksamkeit ist, dass wirklich versucht wird, an jedem Faden zu ziehen, um das Projekt zu stürzen, dann kann man eigentlich auch nicht - da verstehe ich Bätzing - die Gefahr eingehen, dass im Nachhinein, nachdem solche Beschlüsse jetzt bei der Versammlung gefasst wurden, alles ungültig gemacht wird. Und zudem: Bei allem Eklat, das war eine halbe Stunde vor Ende der Veranstaltung. Also so viel mehr wäre da tatsächlich, auch wenn man das hätte weiterlaufen lassen, nicht rumgekommen.
DOMRADIO.DE: Die Organisatoren haben das Ganze auf der Abschlusspressekonferenz dann ja etwas positiver dargestellt und gesagt, wir haben dieses Wochenende gelernt, dass Synodalität funktioniert. Würdest du da zustimmen?
Schlegelmilch: Ich würde sagen, es kommt immer drauf an, worauf man den Schwerpunkt legt. Im Prinzip stimme ich vollkommen zu, denn wenn man sich anguckt, wie die Debatten gelaufen sind, sind die zum größten Teil sehr, sehr zivilisiert geführt worden, obwohl man weiß, dass die Menschen im Saal sehr, sehr unterschiedliche Meinungen haben. Also selbst als es an die Debatte ging, ob die zu veröffentlichenden Dokumente mit Gendersternchen im Text rausgegeben werden oder nicht, sagt ein Bischof, der von der konservativen Seite kommt, dass dies ein berechtigtes Anliegen sei, er aber finde, man solle darüber diskutieren, ob das nicht die gottgegebene Binarität von Mann und Frau negiere. Das ist ja eine konträre Position zu dem, wie der Großteil des Plenums das sieht. Aber das Ganze ist wirklich zum größten Teil zivilisiert - und ich würde sogar fast sagen, vom Tonfall harmonisch abgelaufen. Das ist ja genau die Idee von Synodalität, dass man sich zuhört und den anderen nicht verurteilt, in dem was er sagt.
Mein großes Aber ist allerdings immer noch - und das bleibt es auch -, dass das alles nichts bringen wird, wenn man nach außen das Signal sendet: Selbst, wenn die Leute, die im Saal sind, sich höflich unterhalten und versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden, dann währenddessen ein Drittel davon abhaut oder gar nicht abstimmt und andere gar nicht anreisen. Dann macht das die ganze Situation ein bisschen obsolet, weil man nicht das Zeichen setzt: Wir stehen zu 100 Prozent unserem Projekt und seinen Beschlüssen.
DOMRADIO.DE: Wie schätzt Du das mit Blick auch auf die Weltkirche und auch auf den Vatikan ein? Gibt es dort Kräfte, die sich Veränderungen in eine solche Richtung wünschen würden?
Schlegelmilch: Man muss fairerweise sagen, das Verhältnis von Deutschland und dem Vatikan ist relativ angespannt. Das merkt man zum Beispiel an verschiedenen Aussagen von Papst Franziskus, der sich explizit zum Thema Synodaler Weg geäußert hat und sagt, wenn du eine Veranstaltung hast mit Pro und Contra, mit Opposition und Gegenstimme, dann ist das kein Instrument, um im Sinne der Spiritualität, des Heiligen Geistes in der katholischen Kirche Veränderungen herbeizuführen..
Der Vatikan plant ja gerade etwas eigenes, eine eigene Weltsynode, die nächstes Wochenende in Rom eröffnet wird und zwei Jahre Stimmen aus der ganzen Welt sammelt. Da guckt man natürlich schon mit Neugier nach Deutschland. Da gibt es einerseits Verwunderung, dass Deutschland Sachen berät, die man gar nicht auf nationaler Ebene entscheiden kann. Aber auf der anderen Seite ist da auch Neugier und so ein bisschen Respekt da, dass Deutschland das auf die eigenen Beine stellen kann und das eben auch organisatorisch hinkriegt, so eine Veranstaltung zu stemmen und sich zutraut, solche heißen Eisen anzusprechen.
Ich glaube, der Respekt ist da und ich glaube, es wird jetzt nicht so sehr verteufelt, wie das manchmal rüberkommt. Da auch die Leute im Vatikan, die Entscheidungsträger zumindest, die mit den Themen zu tun haben, wissen, dass alles viel heißer gekocht als gegessen wird. Also dass da am Ende natürlich nichts rauskommt, wo Deutschland direkt mit der Weltkirche brechen will.
Das Interview führte Moritz Dege.