DOMRADIO.DE: Was hat die Kanzlerin denn gesagt beim interreligiösen Friedensgebet am Kolosseum?
Volker Resing (Chefredakteur "Herder Korrespondenz" und Merkel-Biograf): Sie hat gesagt, dass der Dialog der Religionen, auch der sehr unterschiedlichen Religionen notwendig ist, um den Frieden in der Welt zu sichern. Sie hat gesagt, ohne den Dialog kann es nicht gehen. Auch das Miteinanderreden von Menschen mit sehr verschiedenen Anschauungen ist sinnvoll und wichtig.
Das hat man bei diesem Friedensgebet ja auch gesehen, weil der Papst ganz unterschiedliche Glaubensrichtungen auch versammelt hat. Ein Gelehrter von der Kairoer Universität war da, genauso wie der orthodoxe Patriarch Bartholomaios. Das ist schon spannend gewesen, dass Merkel sich da eingereiht hat als einzige Staatschefin inmitten dieser religiösen Führer.
DOMRADIO.DE: Wie viele Menschen haben an diesem Friedensgebet denn abgesehen von den Geistlichen teilgenommen? Was war das für eine Atmosphäre vor Ort?
Resing: Das war letztendlich ein sehr spirituelles Event, also nicht nur ein politisches. Vor der Kulisse des Kolosseums waren auch viele Mitglieder von der geistlichen Gemeinschaft Sant'Egidio da. Es war ganz unterschiedlich: Junge Leute, Familien, vielleicht ein paar Hundert waren vor dieser Kulisse. Es wurde gesungen, es wurde gebetet und dann wurden die Reden gehalten. Aber es war eine ungewöhnliche Atmosphäre für einen Staatsbesuch.
DOMRADIO.DE: Weiß man, was die Bundeskanzlerin mit Papst Franziskus heute besprochen hat?
Resing: Sie hatte im Anschluss ein kleines Statement abgegeben und hat etwas berichtet von ihrem Gespräch. Sie haben tatsächlich auch das Thema Missbrauchsaufarbeitung angesprochen nach ihrem Besuch im Kinderschutzzentrum. Sie hat sich da beeindruckt gezeigt von dem Engagement der Kirche, auch was Prävention angeht. Sie hat mit dem Papst auch die Krisenphänomene der Kirche angesprochen und dafür geworben, dass die Kirche ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnt in verschiedenen Bereichen, um eben auch in die Gesellschaft wirken zu können.
Sie haben dann auch noch über internationale Krisensituationen gesprochen. Mit dem Kardinalstaatssekretär hatte die Kanzlerin ein Gespräch über die Situation in Afghanistan – auch das war noch ein Thema. Interessant ist auch diese Einigkeit, die der Papst und die Kanzlerin in der Klimaschutzfrage haben, wo sie dafür werben, zu sagen, dass es dabei nicht nur um Maßnahmen geht, sondern wirklich um ein Menschheitsproblem.
DOMRADIO.DE: Wie wirkt Angela Merkel denn auf dieser Abschiedstour? Macht sie einen entspannten, einen erleichterten Eindruck?
Resing: Man kann schon sagen, dass sie etwas entspannter ist. So erlebte man sie in den letzten Tagen auch, etwa am 3. Oktober bei ihrer Rede. Gestern Abend konnte ich mit ihr sprechen und sie meinte, dass sie sich auch schon entspannter fühlt jetzt in der Endphase ihrer Kanzlerschaft. Sie war lange bei dem Empfang dabei, hat mit vielen Leuten gesprochen und es war eine gesellige Atmosphäre.
Das Interview führte Katharina Geiger.