Darstellung von Juden in den Medien

Bleibende Diskrepanzen?

Männer mit Kippa, manchmal mit langen grauen Bärten: Noch immer produzieren Medien ungewollt Stereotype über Juden oder jüdisches Leben. Davon möchte man weg. Warum das nicht immer klappt, zeigte jetzt eine Tagung.

Autor/in:
Leticia Witte
Orthodoxe Juden in den USA / © nicolasdecorte (shutterstock)
Orthodoxe Juden in den USA / © nicolasdecorte ( shutterstock )

Es ist kompliziert: Medienschaffende wollen in ihrer Berichterstattung über Juden Klischees und Stereotype vermeiden - und schaffen es doch nicht immer. Das kann mehrere Gründe haben, wie Experten auf dem Thementag "Medienbild im Wandel: Jüdinnen und Juden in Deutschland" deutlich machten.

Dem widmeten sie sich am Donnerstag in Berlin aus unterschiedlichen Perspektiven. Dabei ging es auch um Verschwörungsmythen in Sozialen Netzwerken und Antisemitismus. Am Ende resümierte Olaf Zimmermann, Sprecher der Initiative kulturelle Integration: "Wir stehen erst am Anfang. Das hier kann nur der Aufschlag gewesen sein."

Immer das typische "Kippa-Foto"?

Insgesamt mahnten die Fachleute ein differenziertes Bild von Juden und jüdischem Leben in der medialen Berichterstattung an. Muss denn zum Beispiel ein Jude immer mit der traditionellen Kopfbedeckung Kippa gezeigt werden?

Dass es für Medien nicht immer einfach ist und sie mitunter Fehler machen, erklärte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow. Für die aktuelle, schnelle Berichterstattung würden durchaus Bilder genutzt, deren Sprache deutlich erkennbar sei, etwa mit Hilfe von Symbolen wie der Kippa. Zugleich könne man so aber auch in die Klischee-Falle tappen. Dies zu vermeiden, sei leichter bei länger geplanten Formaten. Eine weitere Lösung: Datenbanken um Alternativmaterial erweitern.

Klein: Medien sind Chance für Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, dass aktuelles jüdisches Leben in der medialen Berichterstattung oft nicht vorkomme, weil meist die Schoah thematisiert werde. In Sozialen Medien sei es zudem nicht einfach, "Fake News" zu identifizieren. Mangelndes Wissen über eine bestimmte Gruppe führe meist zu Vorurteilen.

Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, erklärte: "Trotz aller Stereotype, positiv wie negativ, bieten Medien immer auch Chancen für die Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen."

Großes Interessa am jüdischen Leben

Diese Repräsentation könne in Sozialen Netzwerken mitunter leichter sein, auch wenn dort zugleich massiv gegen Juden gehetzt werde, sagte die Vize-Direktorin für Europäische Angelegenheiten bei der Anti-Defamation League, Dalia Grinfeld. Sie stelle ein großes Interesse an jüdischem Leben fest, und Menschen könnten sehen, dass es Formen gebe, die nicht in Schulbüchern vorkämen. So könnten in den Sozialen Medien Juden sich selbst und die Vielfalt ihrer Communities darstellen: "Es gibt nicht nur Klezmer." Grinfeld betonte: "Wir versuchen einfach, real zu sein."

Oft sei es nicht möglich, mit Fakten gegen Verschwörungserzählungen und Gerüchte vorzugehen, sagte die Journalistin Esther Schapira. "Unserer Arbeit sind daher Grenzen gesetzt." Sie empfahl, stärker etwa über Menschen oder Institutionen zu berichten, die sich gegen Antisemitismus einsetzen.

Strukturelles Problem

Dafür sprach sich auch der Journalist und Dokumentarfilmer Richard C. Schneider aus. Er sagte, er sehe viel Befangenheit. Diese sei auch ein Grund für Klischees. Positiv hob er die von Meret Becker gespielte jüdische "Tatort"-Kommissarin in Berlin hervor, weil dort ihr Jüdischsein eher nebenbei und damit selbstverständlich vorkomme.

Schneider ergänzte: "Ich glaube, es gibt ein strukturelles Problem." Die Darstellung von Juden werde in Deutschland nie normal werden, "weil es keine Normalität gibt" - auch wenn mediale Formate sich bemühten.

Es gab keine "radikale Aufarbeitung"

Ein düsteres Bild zeichnete die Leiterin des Fachgebietes Allgemeine Linguistik an der Technischen Universität Berlin, Monika Schwarz-Friesel: Seit 2.000 Jahren gebe es Sprachgebrauchsmuster, die festsäßen und reaktiviert würden. Zu beobachten sei eine Diffamierungs- und Abgrenzungsrhetorik gegenüber Juden - vom angeblichen Christusmörder bis hin zum Erzeuger der Corona-Pandemie.

"So erstaunlich ist es nicht", betonte Schwarz-Friesel. Hierzulande habe es nie eine "radikale Aufarbeitung" gegeben. Um aber gegen Antisemitismus ernsthaft vorgehen zu können, müsse man tief im Abendland anfangen: "Man muss die rabenschwarze Schattenseite des Abendlandes betrachten." Dazu sei die deutsche Gesellschaft bisher aber nicht bereit gewesen.

Wenn sie Studenten frage, was sie mit Juden verbinden, komme in der Regel als Antwort die Schoah, sagte Schwarz-Friesel. Warum aber nicht auch einmal die Zehn Gebote, Franz Kafka oder die Aufklärung nennen?


Quelle:
KNA