Mehr Einsatz gegen Antisemitismus gefordert

Leben ohne Sicherheitsbedenken

Die EU-Kommission hat ein Strategiepapier zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens vorgelegt. In einer ersten Reaktion forderten verschiedene Vertreter in der EU der Judenfeindschaft mehr entgegenzutreten.

Hakenkreuz-Graffiti auf jüdischem Friedhof / © Hadrian (shutterstock)
Hakenkreuz-Graffiti auf jüdischem Friedhof / © Hadrian ( shutterstock )

Aus Sicht des Europa-Staatsministers im Auswärtigen Amt, Michael Roth, wird nicht genug gegen Antisemitismus getan. Im Kampf gegen Judenfeindschaft habe Deutschland lange "die Nase nach oben getragen", sagte Roth (Mittwochabend) auf einem Podium in Berlin.

Allerdings sei mittlerweile Nationalismus in die Parlamente gelangt. Antisemitismus sei "Teil der gesellschaftlichen Mitte", so Roth. Das sei jetzt auch in Sachsen zu sehen gewesen, als der jüdische Musiker Gil Ofarim gegen einen Mitarbeiter eines Hotels in Leipzig Antisemitismusvorwürfe erhoben habe.

Roth äußerte sich bei einer Veranstaltung im "Europäischen Haus" der EU-Kommission in Berlin zu "Zwei Jahre nach Halle: Wie bekämpfen Deutschland und die EU Antisemitismus?"; diese wurde auch online übertragen. Eingeladen hatte das Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk.

Alltagsantisemitismus mit tödlichen Folgen

Die EU-Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein sagte in einer Video-Botschaft, es sei besonders schwierig, mit Alltagsantisemitismus umzugehen. Es brauche lang, dieser Form von Judenfeindschaft entgegenzutreten. Antisemitismus könne in Deutschland und anderswo in Europa tödliche Folgen haben. Von Schnurbein erinnerte in diesem Zusammenhang an den Anschlag auf die Synagoge und einen Döner-Imbiss in Halle vor zwei Jahren, bei dem der Attentäter zwei Menschen tötete.

Am Dienstag hatte die EU-Kommission ein Strategiepapier zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens vorgelegt. Diese sei 76 Jahre nach dem Ende des Holocaust leider nötig, sagte von Schnurbein. Damit sei die Hoffnung verbunden, etwas zu verändern und eine Situation zu schaffen, in der sich jüdisches Leben in Europa ohne Sicherheitsbedenken entfalten könne. Denn Antisemitismus wende sich gegen alles, wofür Europa stehe.

Staatsminister Roth sagte, die neue EU-Strategie bedeute, dass Antisemitismus als ein gesamteuropäisches Problem erkannt werde. Es habe sich gezeigt, dass 38 Prozent aller Juden in der EU geplant hätten und vielleicht sogar noch vorhätten, die Europäische Union zu verlassen, weil sie sich nicht mehr sicher fühlten. Dies sei "einer der letzten Weckrufe, die lauter nicht sein könnten".

Schwierige Situation in Deutschland

Die Direktorin des Nevatim-Programms der Jewish Agency for Israel und Überlebende des Anschlags von Halle Anastassia Pletoukhina sagte, es sei jeden Tag eine persönliche Entscheidung, in Deutschland zu bleiben. Juden schauten aufmerksam auf Entwicklungen in Deutschland. Das sei eine sehr schwierige Situation.

Der Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus, Samuel Salzborn, lenkte den Blick auch auf Verschwörungsmythen im Zuge der Corona-Pandemie. Anhänger nähmen irgendein Ereignis, in diesem Fall die Pandemie, als Vorwand, um ihre Mythen zu verbreiten. Dass es sich um Corona handele, sei "völlig irrelevant". Im Verschwörungsglauben sei Antisemitismus von Beginn an zentral gewesen; das beinhalte eine "strukturelle Anlage" von Gewalt.


Quelle:
KNA
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