Die Dichterin Gertrud von Le Fort starb vor 50 Jahren

Eine Wegbereiterin für die Ökumene

Gertrud von Le Fort blickte trotz aller dunklen Ereignisse, die die Welt zu ihren Lebzeiten durchmachte, mit Zuversicht in die Zukunft. Dabei nahm der christliche Glaube einen hohen Stellenwert in ihrem Werk ein.

Ökumene / © Harald Oppitz (KNA)
Ökumene / © Harald Oppitz ( KNA )

Gertrud von Le Fort lebte im stürmischen Wandel zweier Weltkriege. Mit Gedichten, Erzählungen und Essays versuchte sie, die existenziell drängenden Fragen zu beantworten. Der Kompass der Dichterin, die Allerheiligen 1971 mit 95 Jahren in Oberstdorf starb, waren christlich-humanistische Werte. Ihr Credo: "Ich glaube an die Liebe Gottes, ich glaube an den Menschen, ich glaube selbst im Atomzeitalter an den Sieg des Erbarmens."

Einzige Frau unter Studierenden

Gertrud von Le Fort wurde am 11. Oktober 1876 in Minden geboren. Die Mutter erzog sie im Geist pietistischer Frömmigkeit. Sie wuchs "unter der Sonne einer goldenen Kindheit" auf, wie sie es einmal formulierte. Beliebt waren Ferien auf Gütern der Familie in Mecklenburg. Früh zeigte sich ihr literarisches Talent. Aber Gymnasien durften Mädchen damals noch nicht besuchen.

Mit 32 Jahren studierte Le Fort als Gasthörerin in Heidelberg evangelische Theologie. In der Rückschau nannte sie die Zeit in der Neckarstadt die "entscheidendste Etappe" ihres Lebens. Ihre Lehrer, allen voran Religionsphilosoph Ernst Troeltsch, begeisterten die oft einzige Frau unter den Studierenden. Geschichte fesselte ihr Interesse: "Wer Kirchengeschichte... mit all ihren Entgleisungen wie Inquisition, Hexenprozessen und Glaubenskriegen geschluckt hat, der ist als Christ gefeit."

Enteignung 1920

Gefeit war die Offizierstochter auch vor dem nationalistischen Bazillus, der mit Kriegsausbruch Europa packte. Im Spätherbst 1914 erschien ihr Gedicht "Die Kathedrale nach der Schlacht": Die zerschossene Krönungskirche von Reims, nationales Symbol Frankreichs, wurde zur verhaltenen Klage über die Barbarei des Krieges.

Bislang war Le Fort eine Dame von Stand, eine "Baronesse". Im Frühjahr 1920 wurde sie in den Strudel der Revolution gerissen. Ihr Bruder, ein verbitterter Kriegsheimkehrer, schloss sich dem rechtsradikalen Kapp-Putsch gegen die Republik an. Er sammelte Freischärler, beschoss das Rathaus von Waren an der Müritz. Es gab Tote. Die Familie wurde enteignet und verlor ihren Stammsitz am Müritzsee.

Ökumenisches Denken, obwohl es sie noch nicht gibt

Le Fort musste sich mit 43 Jahren in Bayern eine neue Existenz aufbauen. Ihre "Hymnen an die Kirche" (1924) entstanden und verhalfen zum späten Durchbruch. "Du bist wie ein edler Pokal unter eitlen Scherben!", preist die Dichterin ihre neue geistliche Heimat: eine universale Kirche, die bereits vor ihrer Stiftung durch Jesus Christus existent gewesen sei. Le Fort dachte ökumenisch, als Ökumene noch ein Fremdwort war. 1926 konvertierte sie in Rom zur katholischen Kirche – für sie kein Bruch: Von der Mutter sah sie ihren religiösen Weg angelegt und von den liberalen Heidelberger Professoren vollendet.

Ihre großen Romane entstanden, zunächst "Das Schweißtuch der Veronika" mit autobiografischen Zügen. Der erste Teil "Der römische Brunnen" (1928) spielt in Rom – "erhabenes Gefäß und Symbol aller Größe und Schönheit". Veronika, eine 15-jährige Halbwaise aus Deutschland, erzählt, wie sie, ohne Religion aufgewachsen, in der Ewigen Stadt Anregungen für ihre Taufe empfängt.

Der zweite Teil des Romans "Der Kranz der Engel" erschien 1946. Le Fort behandelt die spannungsreiche Liebe zwischen der frommen Veronika, die inzwischen in Heidelberg studiert, und ihrem Freund Enzio, kriegsversehrt und voll von nazistischen Gewaltfantasien und von Hass auf christliche Ethik. Als Veronika ohne kirchlichen Segen eine Verbindung eingeht, bricht sie zusammen. Da gibt Enzio nach. Aus Liebe toleriert der Atheist den christlichen Ehebund.

Liebesgemeinschaft mit Ungläubigen suchen?

Le Forts berühmteste Novelle, verfilmt und vertont, ist "Die Letzte am Schafott" (1931) über das Schicksal von 16 Karmeliterinnen, die während der Französischen Revolution das Martyrium erleiden. Als der Gesang der letzten Nonne unter dem Fallbeil verstummt, setzt die bisher ängstlich verborgene Blanche den psalmodierenden Jubel fort und endet wie ihre Mitschwestern im Blutterror.

Le Forts These, dass Christen "die volle Liebesgemeinschaft mit den Ungläubigen" suchen müssen, war noch hoch umstritten. Die Dichterin hat geholfen, den offenen Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) vorzubereiten.


Briefmarke mit Gertrud von le Fort (1975) / © Marque (dpa)
Briefmarke mit Gertrud von le Fort (1975) / © Marque ( dpa )
Quelle:
KNA
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