Immer mehr Stimmen drängen zu einer Konklave-Reform

Papstwahl unter veränderten Vorzeichen

Eine ganze Reihe von Experten plädiert dafür, die Regeln für die Papstwahl dringend zu reformieren. Beinahe im Wochentakt kommen neue Vorschläge hinzu, was denn alles im Falle eines erneuten Konklave zu berücksichigen wäre. Ein Überblick.

Autor/in:
Alexander Pitz
Kardinäle vor dem Konklave 2013 / © Michael Kappeler (dpa)
Kardinäle vor dem Konklave 2013 / © Michael Kappeler ( dpa )

Es wirkt fast ein wenig, als liege das "fine papato", das Ende des Franziskus-Pontifikats in der Luft. Kaum eine Woche vergeht, in der Kirchenkenner nicht darüber diskutieren, wie eine zeitgemäße Nachfolge-Regelung aussehen könnte. Die schwere Darm-OP des amtierenden Kirchenoberhaupts Anfang Juli hat nachdrücklich bewusst gemacht, dass die nächste Papstwahl früher kommen könnte, als gedacht.

Kleine Gruppe versucht durch Kampagnen zu manipulieren

Namhafte Experten bedrängen den 84-Jährigen nun geradezu, die Weichen für das Konklave rechtzeitig zu stellen - mit unterschiedlichen Beweggründen. Die Kirchenhistoriker Alberto Melloni und Massimo Faggioli befürchten, Gegner des Reformkurses von Franziskus könnten "alles tun, was möglich ist", um im Falle eines Machtvakuums ihren Willen durchzusetzen. Darum müsse der Papst "umgehend" handeln und die Regeln des Konklaves aktualisieren.

Wenn der Argentinier nichts unternehme, gehe er ein "großes Risiko" ein, schrieb Faggioli jüngst in einem Gastbeitrag für "La Croix International". So werde eine "kleine Gruppe" versuchen, die nächste Wahl durch gezielte Kampagnen in den sozialen Medien zu manipulieren. Die Macht "katholischer Influencer" sei inzwischen beträchtlich und könne zu einer Situation führen, die "weitaus gefährlicher" sei, als die meisten Beobachter meinten.

Internationalisierung macht Verständigung schwieriger

Hinzu komme, dass viele der zuletzt neu ernannten Mitglieder des Kardinalskollegiums keine persönlichen Kontakte zueinander hätten. Die von Franziskus bewusst betriebene Internationalisierung führe zwar zu mehr Vielfalt, mache die Verständigung auf einen gemeinsamen Kandidaten aber schwieriger. Zumal für eine gültige Wahl eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. Obendrein werde die Freiheit des Konklaves durch die Aufarbeitung der Missbrauchskrise bedroht. Vor diesem Hintergrund müsse mit "instrumentellen Anschuldigungen" gerechnet werden, um missliebige Kandidaten aus dem Kreis der Papabili auszuschließen.

Faggioli macht sich daher einige "durchdachte und vernünftige Vorschläge" seines italienischen Kollegen Alberto Melloni zu eigen, die in der Zeitschrift "Il Mulino" veröffentlicht wurden. Melloni fordert den Papst auf, die Regeln den Bedingungen einer "extremen Verwundbarkeit" anzupassen. Die letzte umfangreiche Änderung der Konklave-Ordnung hatte Johannes Paul II. 1996 in Kraft gesetzt. Jetzt sei es an der Zeit für ein Update.

Papstwähler schon vor dem Konklave völlig isolieren

Der Historiker nennt konkrete Schritte, die dazu dienen sollen, eine Art "Vetorecht" traditionalistischer Netzwerke zu verhindern. So müssten die Papstwähler bereits in den Tagen des "Vorkonklaves" völlig isoliert im vatikanischen Gästehaus wohnen. Die Wahlberechtigten - alle Kardinäle jünger als 80 Jahre - müssten ferner im Konklave mehr Zeit für ausführliche Befragungen und Debatten haben, damit sie einander gründlich überprüfen könnten.

Außerdem müsse der Wahlvorgang an den ersten Tagen mit nur einem Wahlgang pro Tag entschleunigt werden. Und schließlich will Melloni dem Gewählten ausreichend Bedenkzeit einräumen, damit dieser, falls ihm selbst "dunkle Flecken" in seiner Biografie einfielen, die Wahl noch ablehnen könne.

Regeln für Fall von Amtsunfähigkeit unaufschiebbar

Aus Sicht des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf sind die Vorschläge zwar "allesamt durchaus bedenkenswert, greifen aber im Grunde zu kurz". Denn die "entscheidenden Probleme" würden nicht angegangen, schrieb er in einem Beitrag für das Portal katholisch.de.

Wolf fordert eine Regelung für den Fall, dass ein Papst aufgrund schwerer Krankheit amtsunfähig wird. Dies sei unaufschiebbar. "Es geht um das heikle Thema einer päpstlichen Generalvollmacht oder einer entsprechenden Patientenverfügung", so der Experte. "Denn was wäre geschehen, wenn Franziskus nach seiner Operation ins Koma gefallen und daraus über Monate und Jahre nicht wiedererwacht wäre?" Eine solche "Hängepartie" würde nach Wolfs Einschätzung "zu einer wirklichen Krise der katholischen Kirche" führen.

Wahlrecht auf ein römisches Kardinalskollegium begrenzen

Mit dem emeritierten deutschen Kurienkardinal Walter Brandmüller plädiert noch ein weiterer Kenner der Materie für eine Konklave-Reform. Allerdings mit einem anderen Ansatz. Brandmüller veröffentlichte seine Ideen bereits zu Jahresbeginn auf dem österreichischen Internetportal kath.net. Der italienische Vatikan-Journalist Sandro Magister griff sie kürzlich in seinem Blog erneut auf. Der Kardinal regt an, die Zahl der Papstwähler - der aktuelle Richtwert beträgt 120 - zu reduzieren und dafür die möglichen wählbaren Kandidaten zu erhöhen.

Angesichts der historischen Entstehung des Kardinalskollegiums aus dem Klerus der Stadt Rom will Brandmüller das aktive Wahlrecht auf ein "sehr reduziertes und wirklich römisches" Kardinalskollegium begrenzen. Damit werde auch die Möglichkeit des Papstes begrenzt, gezielt Kardinäle auf der ganzen Welt für seine Nachfolgeplanung zu ernennen. Die möglichen Kandidaten müssten diesen Vorstellungen zufolge nicht unbedingt dem Konklave angehören, sie sollten aber mindestens fünf Jahre Erfahrung in einem Leitungsamt der Kurie haben. "Damit wäre der Kreis der Kandidaten begrenzt und gleichzeitig der universelle Aspekt des petrinischen Primats berücksichtigt", so Brandmüller.

An Ideen für eine Neufassung der Konklave-Ordnung herrschst also kein Mangel. Für welches Vorgehen sich Papst Franziskus entscheidet, darüber wird in den nächsten Monaten eifrig spekuliert werden.


In sich versunken: Papst Franziskus / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
In sich versunken: Papst Franziskus / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )
Quelle:
KNA
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