DOMRADIO.DE: Jose Advincula und Cornelius Sim werden für ihre Kardinalsernennung Ende des Monats nicht nach Rom reisen. Kardinäle werden nicht geweiht, sondern ernannt. Trotzdem: Kann man das so einfach aussetzen?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Wir müssen uns vor Augen halten, dass der Papst völlig frei ist, wie er einen Kardinal ernennt, wie er ihn kreiert. Er ist an kein bestimmtes Ritual gebunden, an keine besondere Zeremonie. Er muss nur öffentlich erklären, dass er eine bestimmte Person in den Kardinalsstand erhebt.
DOMRADIO.DE: Das heißt, man braucht im Prinzip eigentlich gar kein Konsistorium? Das ist bloß eine Tradition?
Nersinger: Ja, er kann das ganz einfach so machen. Die Insignien kann er dann später übermitteln. Wir haben es ja auch in der Vergangenheit so gehandhabt, dass der Papst zum Beispiel den roten Pileolos, das Scheitelkäppchen, durch einen Delegierten, durch einen Kurier, meistens einen Offizier der päpstlichen Nobelgarde zugesandt hat.
Auch das Birett wurde den Kardinälen im Ausland übersandt. In einigen Fällen wurde dieses rote Birett ja noch nicht einmal vom Papst selbst aufgesetzt. Einige Länder wie Spanien, Frankreich oder Portugal hatten zum Beispiel das Privileg, dass das dortige Staatsoberhaupt einem Kandidaten das rote Birett aufsetzen konnte. Das ist beispielsweise beim späteren Papst Johannes XXIII. geschehen. Als er Nuntius in Paris war, hat ihn der französische Staatspräsident das rote Birett aufgesetzt.
DOMRADIO.DE: Also in Rom muss nur die Ausrufung des Namens stattfinden. Was ist mit den Kardinälen selber? Was müssen die machen?
Nersinger: Früher war es so, dass die Kardinäle innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Rom kommen mussten, damit ihnen der Papst den großen, breitrandigen Kardinalshut aufsetzen konnte. Das ist aber auch nicht immer der Fall gewesen.
Es gab in der Vergangenheit Kardinäle, ganz berühmte Purpurträger - wie zum Beispiel Kardinal Mazarin - die nie eine Titelkirche, nie eine Diakonie hatten. Er hat auch nie einen roten Hut aufgesetzt bekommen und ist auch deswegen nie nach Rom gekommen. Also man sieht, der Papst war durchaus sehr frei, was bei der Ernennung und Kreierung von Kardinälen geschehen konnte.
DOMRADIO.DE: Und dann gibt es noch die Ernennung "in pectore", also im geheimen, wo man die Ernennung nicht öffentlich machen kann oder will.
Nersinger: Der Papst konnte bestimmte Kardinäle im Geheimen ernnen. Da, wo er befürchtete, dass die dortige Staatsregierung oder andere Kreise das ausnutzen würden, um den Kardinal eventuell zu verfolgen oder ihn zu unterdrücken. "In pectore" heißt in der Brust, also im Herzen. Und diese Ernennung galt dann auch rückwirkend.
Also wenn der Papst dann sagte: Ich habe vor drei, vier Jahren jemand zum Kardinal kreiert, dann wurde das von dem Zeitpunkt an gerechnet, als der Papst das "in pectore", also in seiner Brust, entschieden hatte. Das ist zum Beispiel beim emeritierten Erzbischof von Riga, Janis Pujats, der Fall, der gerade 90 Jahre alt geworden ist.
DOMRADIO.DE: Nun müssen neue Kardinäle in der Krise ernannt werden. Wie ist man denn früher mit Konsistorien oder Kardinalsernennungen während Krisen, Kriegen oder Pandemien umgegangen?
Nersinger: Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir eine solche Situation schon mal hatten. Man hat in solchen Krisen sonst keine Konsistorien anberaumt.
Ich denke, das ist auch heute relativ schwierig, so etwas zu machen. Einige der Kandidaten müssen ja aus sehr fernen Ländern kommen und werden vermutlich auch acht, neun, zehn Stunden im Flugzeug verbringen müssen. Und das mit einer Maske. Wenn man bedenkt, dass diese Kardinäle nun keine Jungspunde mehr sind, sondern doch alle in einem Alter und vermutlich auch Gesundheitszustand sind, der eigentlich nicht zulässt, so etwas zu machen.
Man weiß ja auch nicht, ob Regierungen nicht auch ihren Leuten verbieten, ins Ausland zu fahren. Von daher halte ich ein Konsistorium für eine sehr gewagte Sache und weiß auch nicht, wie man das dann praktisch durchführen möchte.
DOMRADIO.DE: Das gleiche würde ja auch für ein Konklave, eine Papstwahl, gelten, wofür ja alle Kardinäle unter 80 nach Rom müssten. Gibt es denn da Pläne, wie man damit in der Pandemie umginge?
Nersinger: Das ist eine Sache, die der Heilige Stuhl unbedingt entscheiden muss. Wir müssen ja damit rechnen. Wir hoffen ja alle nicht, dass der Heilige Vater stirbt oder zurücktritt, aber dann müsste ein Konklave einberufen werden. Und das wird vermutlich, so wie sich die Pandemie weiterentwickelt, nicht so einfach sein. Da muss man vorsorgen. Man muss dann andere Möglichkeiten überlegen. Denn bei einem Konklave ist es ja auch dem Papst freigestellt zu entscheiden, wie es ablaufen sollte. Der Papst hat da eine Materie vor sich, die allein ihn betrifft. Das ist eine kirchenrechtliche Materie und er kann einen Modus finden, der dann einfach angenehmer ist.
Er kann auch sagen, man überträgt die Wahl nur einer bestimmten Gruppe oder die Kardinäle finden sich irgendwie anders zusammen - zum Beispiel durch das Internet - und bestimmen Vertreter, die für sie wählen. Also da sind der Papst und der Heilige Stuhl sehr frei in der Entscheidung. Nur muss das vorher entschieden sein.
Denn wenn man das nicht tut, haben wir dann unter Umständen eine Situation, in der die Kardinäle entweder gar nicht, nur unter großen Schwierigkeiten oder nicht unter Einhaltung der Fristen kommen können. Dann haben wir das Problem, dass unter Umständen eine Wahl angefochten werden kann. Und das wollen wir ja nun alle nicht. Also ich denke, der Vatikan ist mehr oder weniger verpflichtet, hier jetzt Erlasse herauszubringen, die für diesen Notfall vorsorgen.
DOMRADIO.DE: Also konkret nachgefragt. Es wäre auch vorstellbar, dass der nächste Papst per Brief oder per Online-Abstimmung gewählt wird?
Nersinger: Das ist theoretisch möglich. Wie gesagt, das liegt allein in der Entscheidungsvollmacht des Papstes. Theoretisch könnte der Papst sogar einen Nachfolger bestimmen oder ernennen. Das ist alles möglich, weil wir bei der Papstwahl ein rein kirchliches Recht vor uns haben. Und diese ganze Materie liegt allein in der Hand des Heiligen Vaters.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.