Corona-Lage in Sachsen spitzt sich weiter zu

"Diesen Zustand kann niemand wollen"

Die Inzidenzzahlen in Sachsen klettern auf ein Rekordhoch. Die Landesregierung hat als erstes Bundesland die "2G-Regel" eingeführt. Thomas Arnold, Leiter der katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen, beobachtet die Lage mit Sorge.

Gottesdienstbesucher mit Mundschutz / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Gottesdienstbesucher mit Mundschutz / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: In Sachsen war die Durchschnittsinzidenz schon am Sonntag bei etwa 444. Haben Sie Erklärungen diese hohen Zahlen?

Thomas Arnold (Leiter der katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen): Zunächst einmal sieht man ja, dass auch in Sachsen die Zahlen sehr unterschiedlich sind. Es gibt Landkreise, die sind am Montag beim Inzidenzwert kurz vor der 1.000 gewesen. Andere Landkreise haben Inzidenzen von 400 bis 500. Aber ohne Frage sind das extrem hohe Inzidenzen. Und wenn man dazu noch ins Verhältnis setzt, dass Sachsen das Bundesland mit der niedrigsten Impfquote ist, dann kann man natürlich auch davon ausgehen, dass hohe Inzidenzen zu viel Leid führen werden, weil wahrscheinlich viele Infektionen deutlich stärker verlaufen als bei Fällen, bei denen Menschen geimpft sind.

DOMRADIO.DE: Wie groß sind denn die Sorgen tatsächlich gerade in Sachsen?

Arnold: Dass wir jetzt als Bundesland die sogenannte "2G-Regel" (Zutritt nur für Geimpfte oder Genesene, Anm. d. Red.) eingeführt haben, darauf haben der Ministerpräsident und die Staatsregierung ja immer wieder in den letzten Tagen hingewiesen. Es ist eine Konsequenz daraus, dass wir eine Überlastungsstufe erreicht haben, die dazu führen wird, dass wir im Laufe dieser Woche voraussichtlich die Intensivstationen überlaufen haben werden und es dann natürlich wieder nicht allen, die erkrankt sind, möglich sein wird, auf der Intensivstation adäquat behandelt zu werden. Das ist ein Zustand, den man nicht wollen kann.

Deswegen versucht gerade die Regierung dem gegenzusteuern und möglichst Konsequenzen zu finden, dass es nicht noch schlimmer wird. Aber wir wissen ja auch aus den letzten Wellen, wenn man heute eine Entscheidung trifft, wird sie erst etwa in zwei Wochen sichtbar werden. Vielleicht mit der neuen Variante von Corona etwas eher.

Aber insgesamt bereitet sich Sachsen, soweit wir das mitbekommen, darauf vor, dass die Intensivstationen und die Krankenhäuser an ihre Grenzen kommen. Anders als in der ersten Welle, vielleicht auch anders als in der zweiten und dritten Welle, liegt es dieses Mal ganz stark daran, dass das Personal fehlt. Die Menschen fehlen, die andere Menschen pflegen und ihnen helfen. Das ist natürlich auch noch mal eine Situation, die es besonders schwierig macht.

DOMRADIO.DE: Jetzt ist es aber auch so, dass in die Kirchen jeder darf, der getestet ist. Beim Supermarkt ist es relativ klar, warum da diese Regel gilt. Aber gibt es eine Diskussion in Sachsen, warum ausgerechnet in der Kirche Ausnahmen dieser Art gelten, also die sogenannte "3G-Regelung" für Geimpfte, Genesene und Getestete?

Arnold: Erst mal obliegt den Kirchen selbst die Regelung ihres Bereiches. Das hängt mit der im Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit zusammen. Insofern haben die Kirchen entschieden, evangelisch als auch katholisch, die Religionsausübung der Liturgie so frei zu lassen. Ich habe aber auch schon Mails von Pfarreien bekommen, zum Beispiel von der Pfarrei, zu der ich in Dresden gehöre, die trotzdem mit Kontaktverfolgung und Nachweisen arbeitet. Das ist dann noch mal ein "On top".

Aber trotzdem muss man sagen, dass die katholische Kirche im Bistum Dresden-Meißen auf dem Gebiet von Sachsen auch in der Überlastungsstufe ganz klar Regelungen erlassen hat, wie zum Beispiel weniger Gesang zuzulassen und an dieser Stelle strikt zu sein. Alle anderen Bereiche, sei es in der Erwachsenenbildung, wo die Akademie zugehört oder eher freizeitliche Betätigungen, gleichen sich vollständig an die Regelungen des Staates an. Das heißt, es gilt genauso auch für kirchliche Veranstaltungen mit eher kulturellem oder freizeitlichem Charakter "2G" und für alle Räte, für alle Sitzungen, für die Erwachsenenbildung gilt "3G", wie es auch landesweit in säkularen Bereichen sonst üblich ist.

Ich muss zugeben, nicht weil ich als Akademie besondere Freiheiten möchte, ist mir das etwas wert, sondern weil ich tatsächlich auch darauf setze, dass die Menschen sich dann ja wenigstens testen lassen. Ich würde mir wünschen, dass sich egal ob 1, 2 oder 3G alle immer wieder testen lassen. Denn auch ich habe im eigenen Team Impfdurchbrüche von Menschen erlebt, die sich haben impfen lassen. So wäre es natürlich sicherer, wenn man immer wieder alle testen lassen könnte.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Dr. Thomas Arnold, Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen / © Oliver Killig (Katholische Akademie Bistum Dresden-Meißen)

In Sachsen gilt weitestgehend die 2G-Regel / © Bihlmayer Fotografie (shutterstock)
In Sachsen gilt weitestgehend die 2G-Regel / © Bihlmayer Fotografie ( shutterstock )
Quelle:
DR