DOMRADIO.DE: Ein Bußgottesdienst, was ist das überhaupt, auch aus liturgischer Sicht?
Stefan von der Bank (Leiter der Stabstelle Aufarbeitung im Erzbistum Köln): Ein Gottesdienst ist grundsätzlich erst einmal die Begegnung, in der Gott durch sein Wort zu uns spricht und der Mensch ihn im Gebet antwortet. In einem Bußgottesdienst geht es zunächst darum, seine eigene Schuld zu bekennen und vor Gott zu bringen.
DOMRADIO.DE: Es ist vor allem wichtig zu sagen, dass es kein Versöhnungsgottesdienst ist, oder?
von der Bank: Nein, es geht darum, seine Schuld vor Gott zu bekennen. Speziell in diesem Gottesdienst geht es um das Schuldbekenntnis der Kirche von Köln und zwar aus verschiedenen Perspektiven. Zum einen feiern wir diesen Gottesdienst heute auch aus dem Anlass, wie die Kirche mit sexuellem Missbrauch in den letzten Jahrzehnten umgegangen ist.
Die Institution Kirche, die Verantwortlichen in der Kirche sind hier falsch umgegangen, haben die Betroffenen nicht im Blick gehabt, haben ihnen nicht geglaubt. Der Schutz der Institution stand im Vordergrund. Das ist ja das, was die unabhängige Untersuchung von Gercke auch sehr deutlich auf den Tisch gelegt hat.
Dieses Fehlverhalten, diese Schuld zu bekennen, das ist das eine. Das andere sind natürlich die Taten, die Menschen und vor allem dann Priester, Kleriker und auch andere kirchliche Mitarbeiter Betroffenen angetan haben durch den Missbrauch, diese Schuld von Einzelnen. Dieses Bekenntnis der Täter wird durch den Gottesdienst nicht ersetzt, ist auch mit im Blick.
DOMRADIO.DE: Zum Gottesdienst sind Proteste von Maria 2.0 geplant. Wie stehen Sie dazu?
von der Bank: Jeder kann seine Meinung äußern und auch immer wieder deutlich machen, dass gefordert wird, von Verantwortlichen ihre Verantwortung auch zu übernehmen. Und wenn ich das bisher, so auch verstanden habe, fordern sie ja genau nicht, dass es hier um Versöhnung geht oder dass Betroffene um Verzeihung gebeten werden, sondern dass es erst der Beginn ist, einer der ersten Schritte auf einem Weg der Umkehr, um dann in den nächsten Schritten zu gucken, ob Versöhnung überhaupt möglich ist.
DOMRADIO.DE: Sie arbeiten auch eng mit dem Betroffenenbeirat zusammen. Wie haben sich die Betroffenen denn an diesem Gottesdienst beteiligt?
von der Bank: Die Diskussion um einen Bußgottesdienst ist ja schon mehr als ein Jahr alt, wird ja auch mit den Betroffenen besprochen. Das war uns vom Erzbistum immer wichtig. Wir sind auch dankbar, dass die Betroffenen gesagt haben, dass sie ihre Perspektive einbringen wollen.
Das ist ja das, was in den letzten Jahrzehnten eben nicht der Fall war. Und die Betroffenen helfen uns durch ihre persönlichen Erlebnisse, die sie in verschiedenen Texten oder in einer Liedform, wo ein Betroffener seinen sexuellen Missbrauch beschrieben hat.
Sie helfen uns damit, die Schuld, die wir auch auf uns geladen haben, sehr deutlich zu machen und für den einen oder anderen - soweit das überhaupt möglich ist - noch mehr nachvollziehbar zu machen, welche schrecklichen Verbrechen da wirklich passiert sind.
DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat der Gottesdienst jetzt für diese Menschen?
von der Bank: Aus den Gesprächen weiß ich, dass sie aus dem Betroffenenbeirat her das begrüßen. Deshalb bringen sie sich auch ein. Es wird natürlich auch kritisch gesehen. Das ist ja das, was auch Maria 2.0 gesagt hat. Es müssten doch jetzt nicht die Betroffenen sein.
Aber der Gottesdienst hat ja nicht nur das Schuldbekenntnis in seinem Mittelpunkt, sondern auch das Gedenken für die Betroffenen, für die, die wir kennen auf der einen Seite, aber auch für die vielen, die wir nicht kennen, oder die, die auch verstorben sind oder sich sogar das Leben genommen haben.
Dieses Gedenken hat auch hier Platz in diesem Gottesdienst.
Das Interview führte Michelle Olion.