DOMRADIO.DE: Vor 40 Jahren hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde HIV/AIDS entdeckt. Seitdem geht das Virus um die Welt, aber nicht überall ist es so gut im Griff wie bei uns. Es gibt eine globale Ungerechtigkeit,
Stefan Hippler (Katholischer Priester und AIDS-Aktivist in Kapstadt): Das ist richtig. Es gibt eine globale Ungerechtigkeit, weil zwei Drittel der HIV-positiv lebenden Menschen unterhalb des Äquators leben und dort HIV/AIDS nicht nur eine Homosexuellenkrankheit ist, sondern eine Frauenkrankheit. Und Frauen kriegen natürlich Kinder und Kinder können positiv sein.
Das hat eine ganz andere Dimension als in Europa, wo es eher eine Randgruppengeschichte ist. Es sind die Drogenabhängigen, die Homosexuellen und so weiter. Das heißt, wir haben wesentlich mehr Probleme und einen größeren Bevölkerungsanteil. In Südafrika sind 8,4 Millionen Menschen HIV-positiv und es kommen jeden Tag ein paar Hundert dazu.
DOMRADIO.DE: Sie sind seit 20 Jahren jetzt inzwischen AIDS-Aktivist. Welche Fortschritte haben Sie erreicht mit der Stiftung HOPE Cape Town, die Sie gegründet haben?
Hippler: Da kann ich mehrere Dinge aufzählen. Das erste ist, dass wir 2001 die zweite Organisation in Südafrika waren, die antiretroviral behandeln durfte. Man mag sich erinnern, 2001, als wir angefangen haben, gab es Rote Beete, Süßkartoffel und einen Esslöffel Olivenöl von unserer nationalen Gesundheitsministerin. Von daher haben wir 2001 wirklich Leben gerettet.
Das heißt, wir kennen junge Menschen, die heute sehr gut in Berufen sind, die ein produktives Leben führen und die damals durch uns am Leben erhalten wurden. Das zweite ist, dass wir im Bereich Mutter-zu-Kind-Übertragung sehr erfolgreich waren. Wir arbeiten ja im Kinderkrankenhaus. Und als wir angefangen haben, war die Übertragungsrate Mutter-zu-Kind-33 Prozent. Wir haben sie vor Covid-19 auf unter ein Prozent runtergedrückt.
DOMRADIO.DE: Das klingt nach einem großen Erfolg.
Hippler: Das ist ein großer Erfolg. Aber es ist natürlich immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein, weil es so viele andere Probleme gibt. Sie retten Menschen, sie geben Medikamente. Der Mensch, das Kind, der Jugendliche kommt nach Hause. Es gibt nichts zu essen, es gibt keine Ausbildung, man ist arbeitslos, keine Perspektive. Das heißt, HIV ist ein Anfangspunkt, aber im Endeffekt ist die Arbeit ist wesentlich größer geworden.
DOMRADIO.DE: Sind denn antiretrovirale Medikamente für jeden Südafrikaner theoretisch verfügbar?
Hippler: Ja, seit 2004 gibt es das Anrecht darauf, dass jeder behandelt werden kann. Und ich würde sagen, seit 2007/08 funktioniert das auch in den meisten Fällen.
DOMRADIO.DE: Die Medizin macht ja immer wieder Fortschritte. Die Behandlungsmöglichkeiten sind inzwischen auch gut. Trotzdem ist HIV auch in Zukunft nicht heilbar.
Hippler: Nein, alles, was wir an Versuchen gesehen haben, hat nicht zum Erfolg geführt. Der HI-Virus scheint cleverer zu sein als Covid, muss man leider sagen.
DOMRADIO.DE: Oder die Forschung ist noch nicht so weit?
Hippler: Ich würde sagen, mit der mRNA-Technologie, die wir jetzt eingeführt bekommen haben durch Covid-19, gibt es eine neue Hoffnung, dass es irgendwann möglich ist, auch dagegen zu impfen. Aber die Medikamente sind sehr gut. Jemand, der gut eingestellt ist, kann im Prinzip ein normales, produktives Leben führen, wie jeder andere auch und auch gleich alt werden.
Das Interview führte Tobias Fricke.