DOMRADIO.DE: Die Organisation "HOPE Cape Town Association in Trust" hilft, die Lebensqualität von Familien zu verbessern, die von HIV betroffen sind. Inwiefern sind denn HIV-Patienten durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen?
Stefan Hippler (Auswärtiger Direktor von "HOPE Cape Town Association & Trust" und Pfarrer in Kapstadt): Wir sind insofern betroffen, als dass sich die Hospitäler hier in Südafrika ganz auf das Coronavirus konzentrieren und damit die Patienten, die HIV-positiv sind, in den Hintergrund gedrückt werden. Das heißt, HIV-positiven Patienten kommen nicht zu ihren Behandlungen und kommen auch nicht in die Apotheken, um Medikamente zu bekommen, die notwendig sind und die sie jeden Tag nehmen sollen.
DOMRADIO.DE: Diese Woche findet die Welt-Aids-Konferenz statt. Worüber wird in diesem Jahr genau beraten?
Hippler: Jedes Jahr wird geschaut: Was haben wir erreicht? Wie weit ist die HIV-Pandemie gekommen? Eigentlich sollte ja 2020 das sogenannte 90-90-90-Ziel erreicht worden sein. Das heißt, 90 Prozent der Menschen sollten diagnostiziert worden sein. Davon sollten 90 Prozent in Behandlung sein, und bei 90 Prozent von ihnen sollte die Viruslast unterdrückt sein. Aber wie es momentan aussieht, wird dieses Ziel nicht erreicht. Von daher wird geschaut in der Konferenz: Was können wir tun, um diesem Ziel näher zu kommen?
DOMRADIO.DE: Welche großen Fragen werden ansonsten aktuell im Zusammenhang mit HIV diskutiert?
Hippler: Die große Frage, die diskutiert wird, ist natürlich: Was bedeutet Covid-19 für HIV-Patienten? Aber auch: Wie kann die Behandlung verbessert werden? Und vor allen Dingen: Wie kann die Todesrate runtergebracht werden?
Im vergangenen Jahr sind immer noch 770.000 Menschen an den Folgen von HIV/Aids gestorben. Eigentlich dürfte es kaum mehr Tote geben, da es ja Medikamente gibt. So dass die Frage ist: Wie kann man die Medikation verbessern? Wie kann man eventuell auch einen Impfstoff finden? Auch da sind ja Fortschritte gemacht worden. Aber es ist immer noch nicht der Durchbruch gekommen.
DOMRADIO.DE: Bislang gibt es ja lebenserhaltende Medikamente für Betroffene, aber keine Heilung. Sie haben gesagt, die Medikamente unterdrücken das Virus. Gegen das Coronavirus wird gerade auch nach einem Impfstoff gesucht. Wird man gegen Aids auch noch irgendwann etwas finden? Haben Sie da Hoffnung?
Hippler: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Von daher: Hoffnung haben wir immer. Aber es sieht nicht so aus, als ob in den nächsten Jahren ein Impfstoff auf den Markt kommt. Von daher werden wir weiter mit Medikation arbeiten müssen. Wir werden weiter schauen müssen, dass die Medikamente besser werden und weniger Nebenwirkungen haben.
DOMRADIO.DE: Inwieweit ähneln bzw. unterscheiden sich die Pandemien durch HIV und das Coronavirus?
Hippler: Interessanterweise: Was die Reaktion der Menschen angeht, so ist das wie ein Déjà vu - zumindest hier in Südafrika. Man merkt, dass die Angst umgeht. Man merkt, dass es ein Stigma gibt, wenn jemand mit dem Coronavirus infiziert ist, wie damals mit HIV. Man merkt, dass Krankenschwestern Angst haben, mit Patienten umzugehen. Von daher gibt es sehr starke Parallelen. Der Unterschied ist, dass HIV damals wie heute nur einen Bruchteil der Bevölkerung befallen hat, während Covid-19 ja jeden Menschen bedroht.
DOMRADIO.DE: Das können wir von solchen Viren für das menschliche Zusammenleben auf unserem Planeten lernen?
Hippler: Was wir lernen können ist das, was Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Laudato si" so schön umschrieben hat: Dass wir Teil eines großen Ganzen sind, dass die Menschheit nicht die Herrschaft über die Welt hat, sondern dass wir alle Teil eines Ganzen sind, uns auch verstehen müssen, im Zusammenhang mit der Umwelt. Ein kleines Virus bedroht die Menschheit. Man muss sich das mal vorstellen. Das rückt unseren Platz in dieser Welt, ich denke, in die richtige Richtung.
Das Interview führte Katharina Geiger.