Georg Gänswein (65), Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., bezeichnet sein Verhältnis zu Papst Franziskus als "gut, wenn nicht immer spannungsfrei". "Wie leicht festzustellen ist, sind wir recht unterschiedlich in unserer Art", sagte Gänswein dem "Vatican-Magazin" (Dezember). Franziskus habe ihm einmal gesagt, er sei keiner, "die einen vorne anlachen und hinten den Dolch in den Rücken stechen" und das sei eine Stärke und Schwäche. "Man sehe genau, was ich wolle, wenn nicht, würde ich es deutlich sagen", so Gänswein weiter. Aus Sicht von Franziskus sei das nicht immer das Beste.
Gänswein ausschließlich Privatsekretär von Benedikt XVI.
Die Entscheidung des Pontifex, ihn von seiner Aufgabe als Präfekt des Päpstlichen Hauses freizustellen und ihn ausschließlich zum Privatsekretär von Benedikt XVI. zu machen, habe ihn aufgrund der äußeren Wahrnehmung und medialen Interpretation belastet. Später habe ihm Franziskus erklärt, dass er ihn "aus einem bestimmten Grund nur aus der Schusslinie holen wollte". Franziskus habe ihm gesagt, dass für ihn selbst aus Gehorsam immer etwas Gutes entstanden sei und dass er nicht auf die Medien hören solle. "Das Erfreuliche ist, dass man mit ihm offen und direkt sprechen kann", so Gänswein über Franziskus.
Papst Franziskus und Benedikt XVI.
Seine Aussage, dass zwischen die beiden Päpste "kein Blatt Papier" passe, würde er aber heute so nicht wiederholen. "Meine damalige Einschätzung stammte aus dem zweiten Amtsjahr von Franziskus. Ich war überzeugt, dass eine klare Kontinuität herrschte", so Gänswein. In der Zwischenzeit sei er zu der Einsicht gekommen, dass das nicht in allen Punkte so geblieben sei. Aber auch in Vorgänger-Pontifikaten habe es Unterschiede oder Brüche gegeben. Dies sei normal.
Kritik an Äußerungen von Steinmeier
Kurienerzbischof Georg Gänswein hat sich kritisch zu Äußerungen von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier über die katholische Kirche und Missbrauch geäußert. Es sei zweifellos das Recht eines Politikers und Staatsoberhauptes, Kritik zu äußern. "Aber ich frage mich schon, ob es angemessen ist, dass ein deutscher Bundespräsident, in dessen eigener Kirche und in dessen eigenem Land in vielen staatlichen Einrichtungen bisher kaum eine Aufarbeitung von Missbrauchsfällen vorgenommen wurde, den moralischen Zeigefinger gegen die katholische Kirche erheben sollte", so Gänswein in einem Interview des "Vatican-Magazin" (Dezember).
Glaubwürdige Kirchen als Partner
Steinmeier hatte Ende Oktober nach Gesprächen im Vatikan betont, wie wichtig es sei, dass die Kirche sich dem Missbrauch stelle. Dies sei zuerst den Betroffenen geschuldet. Aber auch Regierung und Gesellschaft bräuchten angesichts großer Herausforderungen glaubwürdige Kirchen als Partner. Zur Stärkung der Glaubwürdigkeit bedürfe es aber entschiedener Reformen.
"Rettende Antwort auf den Missbrauch in der katholischen Kirche"
Gänswein kritisierte auch Steinmeiers Erwartung, das Reformvorhaben des Synodalen Wegs in Deutschland sei eine "rettende Antwort auf den Missbrauch in der katholischen Kirche". Der Privatsekretär von Benedikt XVI. und Präfekt des Päpstlichen Hauses schloss sich der Sicht des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer an, die beim Synodalen Weg geforderten Reformen seien "ein Missbrauch des Missbrauchs". Gebe es "vorher kein Einsehen", werde es "eine riesengroße Enttäuschung" geben. Die teils überzogenen Forderungen führten aus der Weltkirche heraus, was entweder die Bischöfe oder der Vatikan verhindern müssten.