Die von dem 94-Jährigen kürzlich in einem Beileidsschreiben angedeutete Himmelssehnsucht sei nicht so zu deuten, dass der frühere Papst "keine Lust mehr hat, zu leben. Im Gegenteil", sagte der Erzbischof am Donnerstag der "Bild"-Zeitung.
Physisch schwach, aber glasklar im Kopf
In einem Kondolenzschreiben für seinen früheren Professorenkollegen Gerhard Winkler hatte Benedikt XVI. unter anderem geschrieben: "Nun ist er im Jenseits angelangt, wo sicher schon viele Freunde auf ihn warten. Ich hoffe, dass ich mich bald hinzugesellen kann." Dieser Brief sei "lieb gemeint und kommt von Herzen", betonte Gänswein weiter.
Zugleich ergänzte er, der emeritierte Papst bereite sich natürlich bewusst auf den Tod vor: "Die Kunst des guten Sterbens, also Ars moriendi, gehört zum christlichen Leben dazu. Das macht Papst Benedikt seit vielen Jahren. Dennoch ist er absolut lebensfroh. Stabil in seiner physischen Schwäche, glasklar im Kopf und gesegnet mit seinem ihm typisch-bayerischen Humor."
Von Heiterkeit und tiefem Glauben angezogen
Winkler war Zisterzienserbruder und von 1983 bis 1999 Professor für Kirchengeschichte an der Universität Salzburg. Zuvor war er seit 1974 Professor an der Universität Regensburg, parallel zu Joseph Ratzinger (1969-1977), dem späteren Papst Benedikt XVI. Das oberösterreichische Zisterzienserstift Wilhering hatte das Schreiben Benedikts vom 2. Oktober jetzt auf seiner Homepage veröffentlicht.
Darin schreibt das 2013 zurückgetretene frühere Kirchenoberhaupt auch, dass Winkler, der Ende September mit 91 Jahren gestorben war, ihm unter allen Kollegen und Freunden "am nächsten stand". Wörtlich heißt es: "Seine Heiterkeit und sein tiefer Glaube haben mich immer angezogen."