Kölner Milieukrippe stellt Impfen in den Mittelpunkt

Krippenfiguren mit Impfpass

Alle reden übers Impfen, sogar die Figuren der Kölner Milieukrippe. Sie stehen im Kirchraum für ihre Corona-Impfung an. Damit ist die Krippe hochaktuell. Die Gemeinde setzt damit ein Zeichen. Auch Impfskeptiker finden einen Platz.

Krippenfiguren warten auf die Impfung / © Marx (St. Maria in Lyskirchen)

DOMRADIO.DE: Die Kirche St. Maria in Lyskirchen ist die kleinste der zwölf großen romanischen Basiliken in der Kölner Altstadt. Wenn dann noch Abstandsregeln einzuhalten sind, wird es einfach eng für die Krippe. Konnten Sie die Krippe ganz normal aufbauen?

Benjamin Marx (Kurator der Milieukrippe in St. Maria in Lyskirchen): Wer die Krippe kennt, der weiß, dass er in normalen Jahren im Südschiff eine große Krippenlandschaft findet, die das Altstadt-Veedel (Anm. d. Red.: Kölner Mundart für Stadtviertel) zur Zeit der 1930er-Jahre um den Rheinauhafen zeigt. Diese Szenerie braucht natürlich sehr viel Platz. Da wir den Platz brauchen, damit die Gottesdienstbesucher Abstand halten können, ist es nicht möglich, diese große Krippe aufzubauen.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie das Platzproblem gelöst?

Marx: Die Besucher werden Teil der Krippe. Das heißt, wir haben die Krippe so aufgestellt, dass einige Figuren im Raum stehen, neben den Sitzplätzen der Besucher, auch während des Gottesdienstes. Wir sind mittlerweile ja auch alle das Schlange stehen gewohnt. Es ist jetzt bei uns Alltag geworden und daher passiert das jetzt auch in der Krippe. Da stehen die Figuren nun Schlange, um geimpft zu werden.

DOMRADIO.DE: Also ein Krippe im Pandemie-Alltag. Was ist die Botschaft dahinter?

Marx: Die Krippe ist ein Symbol für Weihnachten. Für das, was vor 2000 Jahren geschehen ist. Aber das ist ja nicht nur ein Ereignis, was vor 2000 Jahren geschehen ist, sondern Weihnachten soll sich ja in jedem Jahr wiederholen. Weihnachten ist ein Teil unseres Lebens, die Geburt des Erlösers, und das ist in der Krippe dann dargestellt.

DOMRADIO.DE: Die Figuren stehen an, um geimpft zu werden, und haben auch Impfpässe dabei. Aber nicht alle, oder?

Marx: Genau, wenn man sich die Krippe genau anschaut, stehen manche Figuren auch vereinzelt in der Kirche, die bereits einen kleinen gelben Impfpass haben, wo auch das WHO-Zeichen drauf ist. Dann stehen drei, die vom römischen Volkszähler bereits eine Impfung erhalten hatten, davor - und die Schlange dahinter wartet darauf. Und im nördlichen Seitenschiff haben sich drei Figuren in die Ecke gedrängt. Die symbolisieren die Querdenker, die es auch gibt. Menschen, die vielleicht Angst haben vor dem Impfen. Und die Kinder vorne in der Katharinenkapelle haben sich versammelt wie auf dem Schulhof oder in der Kita - natürlich noch ohne Impfung - und freuen sich ihres Lebens.

DOMRADIO.DE: Vielleicht noch ein Wort zu den Figuren: Das "Grund-Personal" ihrer Krippe sind die Figuren aus dem Kölner Hafenviertel zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aber es sind über die Jahre auch laufend neue Krippenfiguren dazugekommen. Gibt es jetzt auch noch eine neue? Oder wer ist sonst noch mit dabei?

Marx: Also momentan noch relativ unbekannt ist die Darstellung der Königin von Saba und des Königs Salomon, die in der Nikolauskapelle stehen. Die Königin von Saba ist in Sankt Maria Lyskirchen ja schon seit dem Mittelalter im Deckenfresko vertreten. Dann in einem Fenster aus dem 16. Jahrhundert, ist die Helena mit der Kreuzlegende vertreten, auf die ja die Königin von Saba eben hinweist.

Diese Figuren stehen in der Nikolauskapelle und dann im Altarraum steht die Verkündigungsszene, also der Engel Gabriel bei Maria. Ansonsten gibt es neben diesen biblischen Gestalten symbolische Figuren, wie den Ringroller, ein Hafenarbeiter, einen Matrosen, eine Wäscherin und eine Marktfrau. Also alles Figuren, die es mal da gegeben hat. Ein Flüchtling ist in den letzten Jahren dazugekommen, und Maria Brecht, unsere ehrenamtliche Küsterin, Opernsängerin, die bis zu ihrem Tod auch immer bei der Gestaltung der Krippe mitgeholfen hat. Sie steht ganz fein mit ihrem roten Gewand in der Kirche.

DOMRADIO.DE: Und einen jüdischen Apotheker gibt es auch. Ist er auch wieder dabei?

Marx: Ja, der jüdische Apotheker ist auch wieder dabei. Der gehörte zum Viertel, hatte ja die Glocken-Apotheke in der Rheingasse, die in den 30er Jahren arisiert worden ist, weil der "Westdeutsche Beobachter" seinen Stammsitz am Filzengraben hatte. Das sind gerade mal 100 Meter von seiner Apotheke entfernt gewesen. Er wusste, was als Jude auf ihn zukommt. Und er ist ja noch rechtzeitig nach Schweden ausgewandert.

DOMRADIO.DE: In diesem Jahr, 2021, steht die Krippe im Zeichen der Impfung. Ist die Botschaft auch ein bisschen: Leute, lasst euch jetzt endlich impfen!?

Marx: Also es heißt ja, du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Und ich denke, dieses Gebot zu erfüllen war noch nie so einfach wie heute mit einer Impfung. Ich schütze mich selbst und schütze auch meinen Nächsten.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


 

Für Benjamin Marx ist in 25 Jahren die Milieukrippe in Lyskirchen zur Herzenssache geworden. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Für Benjamin Marx ist in 25 Jahren die Milieukrippe in Lyskirchen zur Herzenssache geworden. / © Beatrice Tomasetti ( DR )


 

Krippenfigur mit Impfpass / © Marx (St. Maria in Lyskirchen)
Quelle:
DR