Plan zu kirchlicher Missbrauchs-Studie in Portugal vorgestellt

Betroffene im Mittelpunkt

Die Kirche in Portugal hatte eine unabhängige Kommission zur Untersuchung von Missbrauchsfällen eingerichtet. Nun sind Betroffene unter dem Motto "Dem Schweigen eine Stimme geben" aufgerufen, ihr Schicksal öffentlich zu machen. 

Autor/in:
Thomas Milz
Kathedrale von Lissabon im Hintergrund / © Sean Pavone (shutterstock)
Kathedrale von Lissabon im Hintergrund / © Sean Pavone ( shutterstock )

Die eingesetzte unabhängige Kommission zur Untersuchung von Missbrauchsfällen hat ihren Arbeitsplan für 2022 vorgestellt. Unter dem Motto "Dem Schweigen eine Stimme geben" ("Dar Voz ao silencio") sollen Personen berichten, die zwischen 1950 und heute als Minderjährige sexualisierte Gewalt durch Angehörige der Kirche oder im Rahmen kirchlicher Aktivitäten erlitten.

Ermittlung von Missbrauchsfällen seit 1950

Die Kommission wird demnach Kirchendokumente ab 1950 in allen Diözesen des Landes nach Missbrauchsfällen untersuchen. Zudem soll in Zeitungsarchiven, Justizunterlagen und Archiven von Opferorganisationen geforscht werden.

Das wichtigste Instrument sei jedoch die persönliche Mithilfe der Betroffenen. Deshalb seien diese aufgerufen, die Taten etwa über eine eigens geschaltete Telefon-Hotline, Formulare im Internet oder per E-Mail zu melden. "Wir betreten da unbekanntes Gebiet, aber wenn wir einmal zu graben beginnen, werden wir von neuen Spuren überrascht werden. Unser Weg ist es, denen nachzugehen", erklärte die Soziologin Ana Nunes de Almeida, Mitglied der Kommission.

Ziel der Kommissionsarbeit sei es, Anzahl, Opfer und Täter von Missbrauchsfällen seit 1950 zu ermitteln. Fälle, die noch nicht verjährt sind, würden an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergereicht. Entsprechende Kanäle mit der Staatsanwaltschaft und den Polizeibehörden seien bereits eingerichtet worden, erklärte der ehemalige Justizminister Alvaro Laborinho Lucio, der ebenfalls der Kommission angehört.

Informationen werden vertraulich behandelt

Lucio versicherte, die Kommission habe freie Hand bei ihrer Arbeit. "Wir haben vollkommene Autonomie gegenüber der katholischen Kirche." Es gebe vereinzelte Kontakte zur Kirche, um über Fortschritte zu berichten. "Aber es wird keinen Austausch von Informationen geben. Diese sind vertraulich", unterstrich er. Ein Zwischenbericht ihrer Arbeit will die Kommission demnach Ende des Jahres vorlegen.

Leiter des Gremiums ist der Kinderpsychiater Pedro Strecht. Weitere Mitglieder sind neben dem früheren Minister Lucio der Psychiater Daniel Sampaio, die Soziologin Ana Nunes de Almeida, die Familientherapeutin Filipa Tavares und die Filmregisseurin Catarina Vasconcelos. Die Kommissionsarbeit wird durch die Portugiesische Bischofskonferenz finanziert. Zudem kann sie durch Spenden unterstützt werden.

Die Einberufung der Kommission folgt den 2019 von Papst Franziskus erlassenen neuen Regeln zum Umgang mit Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche. Vor der portugiesischen Kirche hatten bereits die Kirchen in Deutschland und Frankreich unabhängige Kommissionen einberufen.

Der im Oktober in Frankreich von der unabhängigen Untersuchungskommission zu Missbrauch in der Kirche (Ciase) veröffentlichte Bericht schätzt die Zahl minderjähriger Opfer sexueller Übergriffe durch Priester, Ordensleute und Mitarbeiter der katholischen Kirche in Frankreich seit 1950 auf bis zu 330.000. Zahlen für Portugal gibt es bisher nicht.


Madonna von Fatima / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Madonna von Fatima / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA