"Pushback" ist Unwort des Jahres 2021

"Menschenfeindliches beschönigt"

Pushback - ein Fremdwort ist das Unwort 2021 in Deutschland. Es verschleiere einen Verstoß gegen das Asyl-Grundrecht. Die Jury kritisierte auch den Ausdruck "Sprachpolizei" sowie von Impfgegnern verwendete NS-Vergleiche.

Autor/in:
Norbert Demuth
Unwort des Jahres im Wörterbuch / © David-Wolfgang Ebener (dpa)
Unwort des Jahres im Wörterbuch / © David-Wolfgang Ebener ( dpa )

Abermals ist ein Begriff aus der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen von Sprachexperten gebrandmarkt worden: Der Begriff "Pushback" wurde am Mittwoch zum Unwort des Jahres 2021 gekürt.

Der aus dem Englischen stammende Ausdruck bedeute "zurückdrängen, zurückschieben" und bezeichne in der Migrationsdebatte die Praxis europäischer Grenztruppen, Flüchtende an der Grenze zurückzuweisen und am Grenzübertritt zu hindern, erklärte die Jury der "Sprachkritischen Aktion" in Darmstadt.

"Unreflektierte Nutzung dieses Wortes"

Mit der Verwendung des Ausdrucks werde "ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt, der den Menschen auf der Flucht die Möglichkeit nimmt, das Menschen- und Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen". Denn den Flüchtenden werde ein faires Asylverfahren vorenthalten. Der Einsatz des Fremdwortes trage zur Verschleierung eines Verstoßes gegen das Grundrecht auf Asyl bei. Mit dem Wort "Pushback" würden Gewalt und Tod verschwiegen, die mit dem Zurückdrängen von Migranten verbunden sein könnten. Die Jury kritisierte auch eine "in den Medien unreflektierte Nutzung dieses Wortes" - auch bei Kritikern der Maßnahmen.

Der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, erklärte, die Sprachexperten würden ein Schlaglicht auf eine unmenschliche Praxis werfen. Er forderte zum Handeln auf: "Das Unwort des Jahres - 'Pushback' - darf nicht zum Unwort des Jahrzehnts werden." Die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, kommentierte hingegen auf Twitter: "Ein #Pushback ist kein #Unwort, sondern zwingend notwendige Maßnahme, wollen wir unsere Kultur, unsere Werte und unser Sozialsystem erhalten!"

Die überwiegend aus Sprachwissenschaftlern bestehende Jury will mit dem Unwort des Jahres auf unangemessenen, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch aufmerksam machen. In den vergangenen Jahren waren mehrfach Begriffe aus der Flüchtlingsdebatte "Unwörter": 2020 war das der Begriff "Rückführungspatenschaften" - der damals neben dem Ausdruck "Corona-Diktatur" gebrandmarkt wurde. 2018 wurde "Anti-Abschiebe-Industrie" ausgewählt.

"Sprachpolizei" auf Platz 2

Für 2021 kritisierte die Jury als weiteres Unwort auf Platz 2 den Begriff "Sprachpolizei". Auf Platz 3 landeten zahlreiche, auf Corona-Beschränkungen gemünzte sprachliche Vergleiche mit dem Nationalsozialismus.

Mit dem Ausdruck "Sprachpolizei" würden Personen diffamiert, die sich für einen nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch einsetzten, so die Jury, die in ihrer Pressemitteilung durchgängig das Genderzeichen Doppelpunkt (etwa Politiker:innen) verwendete.

Unter den Unwort-Einsendungen für 2021 fanden sich zudem viele Ausdrücke, die im Zuge der Corona-Demonstrationen von Impfgegnern verwendet werden und "völlig unzulässig eine Ähnlichkeit zwischen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie und der nationalsozialistischen Diktatur nahe legen", so die Jury. Darunter seien "Impfnazi", "Ermächtigungsgesetz" oder der gelbe Stern mit Aufdruck "ungeimpft".

Die "deplatzierte Verwendung solcher Ausdrücke" führe zur Verharmlosung des Nationalsozialismus, zur Verhöhnung der Opfer der NS-Diktatur "und in manchen Fällen zu einer Opfer-Täter-Umkehr", hieß es.

454 verschiedene Ausdrücke vorgeschlagen

Für 2021 erhielt die Jury nach eigenen Angaben insgesamt 1.308 Einsendungen. Es wurden 454 verschiedene Ausdrücke vorgeschlagen, von denen knapp 45 den Unwort-Kriterien der Jury entsprochen hätten.

Unter den häufigsten Einsendungen, die aber nicht zwingend den Kriterien der Jury entsprächen, waren: boostern (22 mal), Covidiot (20 mal), Gendersternchen (16 mal), Impfdrängler (11 mal), Pandemie der Ungeimpften (16 mal), Querdenker (47 mal), und Tyrannei der Ungeimpften (287 mal).

In diesem Jahr griff die Jury auch wieder auf die 2013 eingeführte Extra-Kategorie eines "persönlichen Unworts" des Gastjurors zurück - diesmal des Journalisten Harald Schumann. "Militärschlag" - so Schumann - sei eine zutiefst euphemistische - also beschönigende - Bezeichnung für einen aggressiven kriegerischen Akt. "Wenn eine Regierung ihre Bomber, Drohnen, Panzer und Raketen für Angriffe auf andere Völker oder auch Widerstandsgruppen im eigenen Land einsetzt, dann handelt es sich um Krieg, nicht bloß um ein paar Schläge."


Quelle:
KNA
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