Empörung bestimmt in diesen Tagen die Gemütslage vieler Katholiken in Deutschland. Das jüngste Münchner Missbrauchsgutachten bescheinigt mehreren Münchner Erzbischöfen Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern sowie fehlende Sorge für die Geschädigten.
Missbrauchsaufarbeitung wieder ganz oben?
Distanziert klingende Reaktionen der noch lebenden Verantwortlichen, darunter der frühere Papst Benedikt XVI. sowie der aktuelle Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, rufen massive Kritik hervor.
Plötzlich sind der Missbrauchsskandal und seine Aufarbeitung, die am Anfang des Synodalen Wegs standen, wieder ganz oben auf der Agenda des Reformdialogs zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Veränderungen - nun erst recht?
Wenn sich vom 3. bis 5. Februar die rund 230 Synodalen zur dritten Vollversammlung in Frankfurt treffen, liegen ihnen nicht weniger als 13 Dokumente mit insgesamt 121 Seiten zur Beratung vor, einige davon in Zweiter Lesung.
Der Druck ist gestiegen
Beobachter erwarten, dass es erstmals zu Abstimmungen mit gesonderten Bischofsvoten kommt. Dann wird sich zeigen, wie groß der Wunsch nach einem grundlegenden Wandel unter denen ist, die über eine Umsetzung der Beschlüsse in den 27 Bistümern zu befinden haben.
Der Druck ist noch einmal gestiegen - das gilt auch für die Erwartungen auf greifbare Fortschritte bei den vier zentralen Themen des Synodalen Wegs: Sexualmoral, Rolle der Frauen, priesterliches Leben und Macht.
Der Aachener Bischof Helmut Dieser hofft auf Signale des Aufbruchs bei seinen Mitbrüdern. Wer nur vor Spaltungstendenzen warne, verkenne die Zeichen der Zeit, sagte er mit Blick etwa auf Äußerungen des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki, der in seinem Erzbistum wegen einer verunglückten Missbrauchsaufarbeitung unter Druck steht und diesmal wegen einer Auszeit nicht dabei sein wird.
"Wenn nichts geschieht, sind wir endgültig weg"
Das Wort von der Spaltung werde "am liebsten von denjenigen verwendet, die etwas verhindern oder aber unbedingt durchsetzen wollen und nicht bereit sind, mit der Mehrheit der Bischöfe mitzugehen", sagte Dieser der "Kölnischen Rundschau" (Montag). "Die Spaltung könnten wir auch bekommen, wenn wir nichts tun. Wenn nichts geschieht, sind wir endgültig weg."
Passend dazu liegt bei der dritten Synodalversammlung der Fokus auf den sogenannten Handlungstexten. Zu den Forderungen gehören der Ruf nach Mitbestimmung der Laien bei der Bestellung neuer Bischöfe, nach Lockerungen bei der verpflichtenden Ehelosigkeit von Priestern oder nach der Zulassung von Frauen zum Diakonat.
Eine große Mehrheit der Arbeitsgruppe zur Sexualmoral spricht sich in einem von ihr erarbeiteten Papier für die Segnung homosexuelle Paare aus.
#OutInChurch: Der Umgang mit Homosexualität
Bislang betrachten viele Bischöfe solche Segnungen als Gewissensfrage der einzelnen Seelsorger. Die Mitglieder des Forums setzen nun darauf, dass die Synodalversammlung sich mit doppelter Zwei-Drittel-Mehrheit dem Ruf nach einer transparenten Regelung anschließt.
Befürworter werden darauf verweisen, dass ein gänzlich anderer Umgang mit Homosexualität schon lange in der Luft liegt. Rund ein Dreivierteljahr nach der vielbeachteten Aktion #liebegewinnt haben sich in diesen Tagen im Rahmen der Kampagne #OutInChurch auf einer Internetseite und im Rahmen einer Fernsehdokumentation Menschen in der katholischen Kirche als homosexuell geoutet.
Was sagt Rom zu alledem? Diese Frage wird letztlich über Wohl und Wehe des Synodalen Wegs entscheiden. Neuerdings mehren sich die Anzeichen, dass es Bischof Georg Bätzing gelingt, die deutsche Initiative besser mit dem von Papst Franziskus ausgerufenen Synodalen Prozess auf Weltebene zu verzahnen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz steht darüber im Austausch mit Kardinal Mario Grech, dem Leiter des Weltsynodensekretariats.