Ruf nach personellen Konsequenzen aus Missbrauchsgutachten

Offizial gerät in die Kritik

Nach der Vorstellung des Münchner Missbrauchsgutachtens werden Rufe nach personellen Konsequenzen lauter. Die Forderungen zielen vor allem darauf ab, Lorenz Wolf von seinen Aufgaben zu entbinden.

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )

Der 66 Jahre alte Priester ist seit 1997 Offizial und damit oberster Kirchenrichter in der Erzdiözese München und Freising.

Seit 2010 leitet er das Katholische Büro in Bayern. Der Geistliche steht außerdem seit 2014 an der Spitze des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks und ist in dieser Funktion auch Mitglied der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz.

Maria 2.0

Wolfs "Verwicklung in die Vertuschung von Missbrauchstaten wiegt schwer"

Die katholische Reformgruppe Maria 2.0 forderte am Mittwoch Kardinal Reinhard Marx auf, entsprechend tätig zu werden. Wolfs "Verwicklung in die Vertuschung von Missbrauchstaten wiegt schwer", heißt es in einer Stellungnahme. Dabei beruft sich die Gruppierung auf die Untersuchung der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW).

Nach Auffassung der Gutachter hat der Prälat einen Beitrag dazu geleistet, "dass einschlägig auffällig gewordene Priester vor Maßnahmen bewahrt wurden, die seitens der Kirche etabliert wurden und die insbesondere dem Ziel dienten, möglicherweise drohenden erneuten Übergriffen vorzubeugen".

Kritik vom Betroffenenbeirat

Auch Richard Kick vom Betroffenenbeirat der Erzdiözese übte Kritik an dem Kirchenrichter, von dem er 2011 in seiner Sache vernommen worden war. Gegen den Priester, der ihn über Jahre als Kind missbraucht hatte, sei von Wolf nicht weiter ermittelt worden. "Es gab keine Sanktionen, keine Konsequenzen. Er hat bis zuletzt sein Priesteramt ausgeübt", monierte Kick. 2019 sei der Pfarrer dann mit "Fahnenabordnungen und großem Tamtam beerdigt worden".

Die Anwälte hatten Wolf eine "klerikerfreundliche Haltung" konstatiert. Zugleich sei er "den mutmaßlich von Missbrauchstaten Geschädigten mit einer ausgeprägten skeptischen Grundhaltung" begegnet". Wolf wiederum stellte mittels seines Rechtsbeistands die Legitimität der vorliegenden Untersuchung in Frage. Die Bewertungen seines Mandanten durch die Anwälte seien "unwahr, tendenziös und willkürlich selektiv".

Rücktritt von der Spitze des Rundfunkrats gefordert

Bereits am Dienstag hatte die FDP-Landtagsfraktion den Rücktritt Wolfs von der Spitze des Rundfunkrats gefordert. Der medienpolitische Sprecher Helmut Markwort erklärte, Wolf habe laut dem Gutachten als Offizial wesentlich dazu beigetragen, dass schwere Missbrauchsdelikte vertuscht und verharmlost worden seien. "Die Recherchen zeigen einen Sumpf. Eine zentrale Figur in diesem Sumpf ist der Prälat Dr. Lorenz Wolf." Auf Nachfragen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) hat Wolf bisher nicht reagiert.

Am Donnerstag will sich die Münchner Bistumsleitung ausführlich zur Untersuchung der Anwälte und etwaigen Konsequenzen äußern.

Erzbistum München und Freising

Das Erzbistum München und Freising ist mit rund 1,61 Millionen Katholiken (Stand: Mai 2021) das größte unter den sieben bayerischen Bistümern und eine der bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 12.000 Quadratkilometern vorwiegend auf Oberbayern und ging hervor aus dem Hochstift Freising, das der heilige Bonifatius 739 errichtete. Nach der Säkularisation 1821 wurde der Bischofssitz nach Münchenverlegt und die Erhebung zum Erzbistum verfügt.

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Quelle:
KNA