72. Berlinale will dem Corona-Winter trotzen

Zeichen der Normalität

Auch wenn bei der Berlinale vieles erneut anders ablaufen wird: Das Filmfestival soll in Präsenz an diesem Donnerstag starten. Wenn nichts mehr dazwischenkommt, eröffnet Francois Ozon dann das Rennen um die Bären.

Autor/in:
Von Alexander Riedel
Kinosaal bei der Berlinale / © Daniel Seiffert / Berlinale
Kinosaal bei der Berlinale / © Daniel Seiffert / Berlinale

Nach einer coronabedingten Zweiteilung im vergangenen Jahr will die Berlinale nun mitten im Winter der Rekordinzidenz Filme und Kinos wieder sichtbarer machen. Dies sei gerade in der Pandemie wichtig für die Kultur, die "ein wichtiger Anker unserer Gesellschaft" sei, sagte die Geschäftsführerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin, Mariette Rissenbeek, im Vorfeld. Man sei froh, ein Konzept zu haben, dass das Filmfestival auch in Präsenz möglich mache. Ähnlich äußerte sich auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), die sagte: "Wir brauchen das Kino, wir brauchen die Kultur."

Berlinale Goes Kiez im Eva Lichtspiele / © Peter Kreibich / Berlinale 2010
Berlinale Goes Kiez im Eva Lichtspiele / © Peter Kreibich / Berlinale 2010

Das Konzept der Berlinale ist allerdings umstritten: Rissenbeek und der künstlerische Leiter Carlo Chatrian mussten sich zuletzt immer wieder gegen Vorwürfe verteidigen, mit ihrer Ausnahmeregelung fahrlässig zu handeln. Rufe nach einer Verschiebung oder Online-Angeboten waren vernehmbar.

Corona-Anpassungen

Die Berlinale startet

In Berlin beginnen am 10. Februar 2022 die 72. Internationalen Filmfestspiele. Trotz Kritik angesichts neuer Höchstwerte an Corona-Neuinfektionen findet die Berlinale diesmal wieder in Präsenz statt. Allerdings gelten eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen. Dazu zählen eine von zehn auf sechs Tage verkürzte Dauer, eine 2G-plus-Regel mit zusätzlicher Test- und Maskenpflicht, die Reduktion der Platzbelegung auf 50 Prozent sowie deutlich weniger Filme in mehr Kinos.

Der rote Teppich vor dem Berlinale-Palast wird ausgerollt / © Jens Kalaene (dpa)
Der rote Teppich vor dem Berlinale-Palast wird ausgerollt / © Jens Kalaene ( dpa )

Die 72. Berlinale ist von Donnerstag an bis zum 20. Februar mit einigen Anpassungen geplant. So sollen die Kinos nur bis zu 50 Prozent ausgelastet werden. Auch die Zahl der Filme haben die Veranstalter mit 256 Lang- und Kurzfilmen gegenüber 2020 um ein Viertel reduziert - obwohl es wieder deutlich mehr Einreichungen gab. Statt nur eines "Publikumstags" am Ende soll es dieses Mal mehrere geben, auch eine Kiezkino-Reihe ist vorgesehen. Partys und Empfänge sind hingegen abgesagt. Branchen-Formate wie der Europäische Filmmarkt werden rein digital umgesetzt. Auftritte auf dem Roten Teppich planen die Veranstalter indes ein - in reduzierter Form.

Im vergangenen Jahr war die Berlinale, die traditionell als größtes Publikumsfilmfestival der Welt gilt, wegen der Pandemie noch in zwei Teile geteilt worden: einen online im Winter für das Fachpublikum und einen im Sommer für das breite Publikum.

17 Weltpremieren

Im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale laufen 18 Filme - darunter 17 Weltpremieren und sieben Filme von Frauen. Sie konkurrieren um den Goldenen und die Silbernen Bären. Mit dabei sind unter anderen Regisseur Andreas Dresen ("Gundermann") mit seinem Drama "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush", der Österreicher Ulrich Seidl ("Paradies"-Trilogie) mit "Rimini" und Nicolette Krebitz ("Bandits", "Wild") mit "A E I O U - Das schnelle Alphabet der Liebe". Krebitz präsentiert eine unmögliche Liebesgeschichte zwischen einer Dame und einem Dieb, mit Sophie Rois und Udo Kier.

Überhaupt die Liebe: In diesem Jahr hat das Berlinale-Team nach eigenen Angaben mehr Liebesgeschichten gesehen als je zuvor. "Verrückt, unwahrscheinlich, unerwartet und berauschend", nannte Chatrian dies. Das Leben in der Pandemie spielt inhaltlich im Wettbewerb dagegen kaum eine Rolle. Lediglich zwei Filme zeigen es laut Chatrian, obwohl mehr als die Hälfte in der Gegenwart angesiedelt ist.

Thema Stadtflucht

"Menschliche und emotionale Bindungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Filme, wobei die Hälfte der Wettbewerbsbeiträge vor dem Hintergrund einer Familiensituation spielt", sagte Chatrian bei der Vorstellung des Wettbewerbsprogramms Mitte Januar. Fast allen Filmen sei indes gemeinsam, dass ihre Schauplätze außerhalb des Stadtzentrums lägen, in der Peripherie, auf dem Land oder auf Reisen außerhalb der Städte - eine Erklärung habe er für diese Stadtflucht aber nicht.

Schwerpunkt Frankreich

Neben Deutschland ist vor allem Frankreich als Filmland wieder sehr präsent im Wettbewerb. Francois Ozons frei nach Rainer Werner Fassbinder gedrehter Beitrag "Peter von Kant" mit Denis Menochet, Isabelle Adjani und Hanna Schygulla wird das Festival am Donnerstagabend eröffnen. Bevor am 16. Februar die Hauptpreise verliehen werden, erhält am Tag zuvor die französische Filmdiva Isabelle Huppert ("8 Frauen", "Die Klavierspielerin") den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk. Entsprechend wird die 68-Jährige mit einer Hommage geehrt.

Der internationalen Jury, die über die Bären-Vergabe im Wettbewerb entscheidet, sitzt in diesem Jahr der Drehbuchautor, Regisseur und Produzent M. Night Shyamalan ("The Sixth Sense") als Präsident vor. Nach einem coronabedingten Ausfall im vergangenen Jahr wollen auch die beiden großen Kirchen dieses Mal wieder Preise vergeben: Der Ökumenischen Jury wird die Vize-Präsidentin Europa des Katholischen Weltverbandes für Kommunikation Signis und Vorsitzende des Signis World Cinema Desks, Magali van Reeth aus Frankreich, vorsitzen.

Quelle:
KNA