Benedikts Privatsekretär äußerte sich gegenüber dem katholischen Fernsehsender EWTN in einem Gespräch, das am Dienstag ausgestrahlt werden soll. Gänswein kritisiert darin nach Angaben des Senders die "rasche mediale Verurteilung" des Emeritus, der seit seinem Amtsrücktritt 2013 im Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae lebt.
Joseph Ratzinger, wie Benedikt XVI. mit bürgerlichem Namen heißt, war von 1977 bis 1982 Erzbischof der Diözese München und Freising. Ein Ende Januar veröffentlichtes Gutachten warf ihm in vier Fällen Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum vor.
Lob und Kritik für Benedikts Reaktion
Er geriet weiter in die Kritik, als er kurz darauf über sein Sprachrohr Gänswein eine eigene Angabe korrigierte: Entgegen seiner ersten Aussage nahm er am 15. Januar 1980 doch an einer Sitzung teil, in der es um einen Priester ging, der als Missbrauchstäter bekannt war. Am vergangenen Dienstag bat der mittlerweile körperlich schwache Benedikt alle Missbrauchsopfer in einem Brief um Entschuldigung. Benedikt-Anhänger lobten ihn, Kritikern war das zu wenig.
Gänswein betonte im EWTN-Interview, Ratzinger sei zwar bei dem Treffen dabei gewesen, er habe jedoch weder Kenntnis von der Missbrauchsvergangenheit des Priesters gehabt noch, dass dieser in der Seelsorge eingesetzt werden sollte. Der enge Vertraute Benedikts wies auf dessen Einsatz als Papst für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen hin. "Er spielt nicht nur eine entscheidende Rolle, er war die entscheidende Figur, der entscheidende Mann, der zu Transparenz wirklich nicht nur geraten hat, sondern auch zur Transparenz geschritten ist", erklärte Gänswein.