Rund 70 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und der autokephalen (eigenständigen) "Orthodoxen Kirche der Ukraine".
Diese entstand Ende 2018 aus dem 1992 gegründeten Kiewer Patriarchat und der 1921 ins Leben gerufenen "Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche". In dem Land war angesichts des Krieges in der Ostukraine zwischen von Moskau unterstützten Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen der Ruf nach einer von Russland unabhängigen orthodoxen Kirche lauter geworden.
Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, hatte erfolglos versucht, mit einem sogenannten Vereinigungskonzil im Dezember 2018 den Zusammenschluss aller drei Kirchen zu erreichen. Die neue orthodoxe Kirche der Ukraine erkannte er Anfang Januar 2019 als autokephal an und stellte sie so allen 14 bestehenden orthodoxen Landeskirchen gleich. Ihr Oberhaupt ist der Kiewer Metropolit Epiphanius (43).
Die russisch-orthodoxe Kirche betrachtet die Ukraine als ihr Stammland und lehnt die kirchliche Unabhängigkeit (Autokephalie) für das südliche Nachbarland strikt ab. Auch die meisten anderen orthodoxen Landeskirchen erkannten die neue eigenständige ukrainische Kirche anders als Bartholomaios I. bislang nicht offiziell an.
Die moskautreue Kirche verfügt in der Ukraine über deutlich mehr Gemeinden als die neue Kirche. Sie räumte aber den Verlust von rund 100 Pfarreien an die orthodoxe Kirche der Ukraine ein. Die "Ukrainisch Orthodoxe Kirche" des Moskauer Patriarchats betont einerseits ihre traditionelle Einheit mit der russischen Orthodoxie; andererseits genießt sie eine weitreichende Autonomie. Sie gründet eigenständig Eparchien (Diözesen), wählt selbst ihre Bischöfe und ist finanziell unabhängig von Moskau.
Im Urteil der Bevölkerung schneidet die neue Kirche am besten von allen großen Konfessionen ab. 60 Prozent der erwachsenen Ukrainer sehen sie laut einer im Februar 2020 durchgeführten Meinungsumfrage positiv. Von der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats hatten demnach nur 26 Prozent eine gute Meinung. (kna, 16.02.2022)