Oberrabbiner aus Kiew sieht Kriegsverbrechen in der Ukraine 

"Friedliche Bewohner werden erschossen"

Die Anschuldigungen sind deutlich formuliert. Der Oberrabbiner der Brodsky-Synagoge in der ukrainischen Hauptstadt Kiew wirft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Ukraine, Butscha: Ein Mann geht an den Überresten eines russischen Militärfahrzeugs in Bucha, nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew, vorbei / © Serhii Nuzhnenko (dpa)
Ukraine, Butscha: Ein Mann geht an den Überresten eines russischen Militärfahrzeugs in Bucha, nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew, vorbei / © Serhii Nuzhnenko ( dpa )

"Dass schon friedliche Bewohner erschossen werden, auch Autos und Häuser beschossen werden, das sind meiner Meinung nach auch schon Kriegsverbrechen", sagte Moshe Reuven Azman am Sonntag im Interview der Deutschen Welle. Er bat um weitere Proteste und Gebete.

Friedensappel per Videobotschaft

Zuvor hatte der Oberrabbiner per Videobotschaft einen Friedensappell verbreitet. Er habe die Juden in Russland und die Russen daran erinnern wollen, "dass sie nicht einfach vor dem Fernseher sitzen und grinsen können, dass sie Verantwortung dafür tragen werden, was mit ihrer stillschweigenden oder nicht stillschweigenden Zustimmung passiert".

Ihn hätten danach Menschen angerufen, um ihm zu sagen, dass er ihnen die Augen geöffnet habe. Andere hätten ihm gesagt, sie wüssten längst, was vorgehe, hätten aber Angst, darüber zu sprechen.

Jeder müsse für sich entscheiden, "ob er mit dem Guten oder dem Bösen ist, ob er sich an Verbrechen beteiligt", sagte Azman. "Wenn sich in Russland alle klar positioniert hätten, dann hätte man die ganze Junta schon längst weggefegt."

"Es gibt keinen Nazismus in der Ukraine"

Das erklärte Ziel Putins, eine "Entnazifizierung" der Ukraine anzustreben, bezeichnete der Oberrabbiner als "Spinnereien". Es gebe in der Ukraine keinen Nazismus, "nicht einmal nationalistische Parteien sind ins Parlament eingezogen". Diesen "Blödsinn" könne nur jemand glauben, "der der Gehirnwäsche des Fernsehens glaubt, welches allerlei Unsinn verbreitet". 

Juden in Uman, Ukraine / © rospoint (shutterstock)

Moskau brauche lediglich einen Vorwand, "um seine imperialen Ambitionen zu befriedigen".

Jüdisches Leben in Kiew

Die jüdische Gemeinde in der Ukraine unterstütze hilfsbedürftige Menschen derzeit telefonisch, sagte Azman. Auch seien Busse organisiert worden, um Menschen an sichere Orte zu bringen, etwa nach Israel oder Europa. Viele Ältere könnten sich nicht mehr alleine bewegen oder seien bettlägerig, berichtete der Geistliche.

"Unter ihnen sind Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs wie durch ein Wunder dem Holocaust entkommen waren, und die jetzt gezwungen waren, aus Luhansk und anderen Städten im Donbass zu fliehen. Das ist für sie schon das dritte und sogar vierte Mal im Leben."

Spenden für Opfer des Krieges in der Ukraine

Viele Menschen möchten den Opfern des Krieges in der Ukraine möglichst konkret helfen. Fachleute halten Geldspenden beinahe immer für den besseren Weg als Sachspenden. DOMRADIO.DE hat eine Liste mit Spendenmöglichkeiten erstellt.

Wer einen Geldbetrag spenden möchte, sollte diesen am besten einer oder maximal zwei Organisationen zukommen lassen. Das mindert den Werbe- und Verwaltungsaufwand der Organisationen.

DOMRADIO.DE empfiehlt Spenden an folgende Hilfsorganisationen:

 

Caritas International

Hilfsbereitschaft für die Ukraine / © Halfpoint (shutterstock)
Hilfsbereitschaft für die Ukraine / © Halfpoint ( shutterstock )
Quelle:
KNA