DOMRADIO.DE: Seit rund einem Jahr gibt es nun diese neue Hauptabteilung, die Sie leiten. In der Zeit ist viel passiert im Erzbistum Köln und wirklich viel ruhiger sind die Zeiten nicht geworden. Sehen Sie denn genug Vertrauen in die Bistumsspitze, dass die Menschen jetzt diese Zusammenführung auch mitmachen?
Msgr. Markus Bosbach (Leiter der Hauptabteilung "Entwicklung Pastorale Einheiten"): Das sehe ich schon. Wir erleben im Moment sogar eine gewisse Motivation, endlich mal an einem ganz konkreten Thema zu arbeiten. Zumindest war das eine klare Rückmeldung, etwa beim Diözesanpastoralrat, mit dem wir ja intensiv diesen Prozess beraten haben, oder auch bei der Konferenz der Pfarrer im November, mitten in der Krise, wo gesagt wurde: Wir müssen bei bestimmten Themen jetzt weiterkommen. Wir können die Krise nicht zum Anlass nehmen, einfach stehen zu bleiben und die Welt sich weiterdrehen zu lassen. Und wir drehen uns nur um uns selbst.
DOMRADIO.DE: Und doch ist es ja ein recht straffer Zeitplan, aus etwa 180 Seelsorgebereichen 50 bis 60 pastorale Einheiten zu machen. Das ganze läuft unter dem Hashtag #ZusammenFinden. Es geht erstmal um die geografische Zuschneidung und das soll schon bis zum Ende des Jahres durch sein. Ist das nicht doch ein hoher Zeitdruck?
Bosbach: Der Zeitdruck ist sportlich. Allerdings geht es ja in der Tat nur darum, diese äußeren territorialen Grenzen zu definieren. Die Umsetzungsschritte, was dann weiter passiert, die kommen ja alles erst in den kommenden Jahren. Von daher glauben wir, dass dieser Weg machbar ist. Wir bekommen ja auch mit, dass sich in vielen Dekanaten darüber schon länger Gedanken gemacht wird. Ich war selber bei verschiedenen Gremientreffen vor Ort, wo Ehrenamtliche schon längst unterwegs sind, weil sie sehen: Es wird sich was verändern. Es muss sich auch was verändern und wir wollen das aktiv mitgestalten. Das ist die Haltung vor Ort. Und von daher haben ja viele schon länger gesagt: Legt endlich mal los damit, damit wir wenigstens wissen, wie ist denn der Rahmen, auf den wir jetzt zugehen und was kommt da auf uns zu? Wenigstens von der territorialen Größe her.
DOMRADIO.DE: Hätten Sie nicht trotzdem die Sorge, dass eventuell die Mühen ganz umsonst sind, wenn sich zum Beispiel an der Spitze des Erzbistum etwas ändert. Wenn es zum Beispiel - rein spekulativ - vielleicht einen neuen Erzbischof geben würde?
Bosbach: Das glaube ich nicht. Wir haben ja diese ganzen Planungen in den letzten Jahren nicht rund um die Person eines Erzbischofs geführt, sondern ganz viele Männer und Frauen haben sich gemeinsam Gedanken gemacht: Was ist eigentlich von der Zukunft her geboten? Die Herausforderungen sind für jeden Erzbischof die gleichen. Das sind ja im Wesentlichen, wenn man das sehr knapp auf drei Dinge zusammenfassen will, ein Rückgang kirchlichen Lebens und kirchlicher Aktivität. Das ist auch nicht erst seit der Krise im Erzbistum Köln so, sondern schon seit vielen Jahren. Dass Gemeinden kleiner werden, dass Menschen die Kirche verlassen, dass Ehrenamtlichkeit sich wandelt, sie nach neuen Formen sucht. Dann haben wir ganz klar auch den Rückgang der Finanzkraft, der natürlich gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen geschuldet ist, aber auch einer steigenden Zahl von Kirchenaustritten. Und wir haben einen Rückgang der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im pastoralen Dienst, durch alle Berufsgruppen - Priester, Diakone, Pastoralgemeindereferentinnen und -referenten. Auch da wird sich die Zahl ja bis 2030 halbieren. Von daher sind genug Herausforderungen da, um jetzt auch den Planungsrahmen für die pastorale Entwicklung neu zu gestalten.
DOMRADIO.DE: Was ist denn das positive Ziel, wenn es zu diesen 50 bis 60 pastoralen Einheiten dann gekommen ist?
Bosbach: Ich will das gar nicht überpositivieren oder überspiritualisieren. Es ist einfach jetzt ein notwendiger Prozess. Ich glaube, eine Chance steckt darin, dass sich jetzt bei diesem Finden neuer Grenzen Menschen unterschiedlicher Seelsorgebereiche zunächst einmal einfach kennenlernen und sehen: Kirchliches Leben läuft vielleicht im benachbarten Seelsorgebereich anders ab als bei uns. Da gibt es vielleicht eine andere Kultur des Miteinanders als bei uns. Also ein Kennenlernen, dann auch voneinander lernen, einander hoffentlich wertschätzen und gemeinsam gucken: Was können wir denn gut gemeinsam jetzt in die Zukunft hinein planen?
Aber, wie gesagt, es sind notwendige Veränderungs- und Planungsprozesse, die machen nicht unbedingt immer nur Spaß. Sie bieten vielleicht die eine oder andere Chance, aber es sind auch schmerzliche Prozesse. Denn es heißt mitunter natürlich auch Abschied nehmen vom Gewohnten und von dem, was über viele Jahre der vertraute Rahmen seelsorglichen Handelns war. Das ist sicherlich auch eine Herausforderung für die hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im pastoralen Dienst, weil es da natürlich auch noch mal spürbar wird, dass es jetzt einen Rollenwechsel geben wird. Wenn der Raum, für den jemand ernannt wird, zukünftig größer ist, dann heißt das: Ich kann meine Arbeit auch nicht mehr einfach so machen, wie ich es bisher gewohnt war. Auch da gibt es einfach notwendige Weiterentwicklung, um nur ein Beispiel zu nennen. Aber das betrifft viele andere Bereiche auch.
DOMRADIO.DE: Besteht da nicht die Sorge, dass bereits jetzt schon ein bisschen im Hinterkopf ist: Wenn wir uns zusammenschließen, haben am Ende doch einen Pfarrer oder einen Pastoralreferenten weniger. Oder dann haben wir die Gemeindereferentin nicht mehr vor Ort. Kann man Geografie von Gebäuden, von Finanzierung etc. so gut trennen?
Bosbach: Was uns im Moment als Sorge entgegenkommt, ist gar nicht die Sorge: Wen haben wir dann noch zum Beispiel beim seelsorglichen Personal? Das haben, glaube ich, inzwischen viele Menschen verstanden, dass da einfach weniger Menschen zur Verfügung stehen und es eine Chance ist, vielleicht Dinge nochmal anders zu machen. Vielleicht weg von einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch Hauptamtlichkeit hin zu einem gewollten, geförderten und auch ehrenamtlichen Engagement, auch bis hinein in die Leitung einzelner Gemeinden. Das sind ja ganz neue Entwicklungen. Ja, das sind Chancen, die machen vielleicht dem Einen mehr Angst, den Anderen locken sie. Das ist ein sicherlich nicht ganz einheitliches Bild im Moment.
Was uns aber entgegenkommt, ist eine andere Sorge im Bereich der Finanzen: Dass auch gerade wohlhabende Kirchengemeinden ein bisschen auf das gucken, was bei ihnen so an Vermögen da ist. Und da ist vielleicht die Sorge da: Müssen wir das jetzt teilen? Wir versuchen dann immer zu argumentieren: Das, was Kirchengemeinden an Vermögen haben, das, was wir auch als Bistum insgesamt zur Verfügung haben, ist immer nur treuhänderisch. Das heißt, das hat keiner nur für sich, sondern es ist ja von Menschen gegeben oder erarbeitet worden, damit die Kirche, wo und wie auch immer, damit Gutes tut und dem Aufbau des Reiches Gottes dient. Das wird manchmal ein bisschen vergessen, wenn es dann nur darum geht, zu gucken: Was gehört uns und was müssen wir auf jeden Fall beim Kirchturm bei uns halten. Aber auch da sagen wir im Moment immer, dazu bietet dieser Prozess noch gar keine Antworten, wie wir zukünftig damit umgehen wollen. Das sind alles Fragen, die uns in den nächsten Jahren noch beschäftigen werden.
DOMRADIO.DE: Es wird bis Ostern Vorschläge aus dem Generalvikariat geben für die jeweiligen Seelsorgebereiche. Wie fix sind diese Vorschläge? Gibt es vielleicht die Sorge, dass die Menschen vor Ort dann doch nicht so viel mitreden können wie gehofft?
Bosbach: Also zunächst einmal hoffe ich, dass wir bis Ostern den Vorschlag soweit fertig haben. Wir haben uns ja bewusst entschieden, dass wir den Vorschlag nicht einfach nur am grünen Schreibtisch aufzeichnen, sondern wir wollen den hier in Köln schon mit Menschen beraten, die das Bistum auch kennen. Das sind zum Beispiel Referentinnen und Referenten, die viel in der diözesanen Landschaft unterwegs sind, das sind unsere Weihbischöfe. Der zentrale Vorschlag steht seit Montagmorgen. Den wollen wir jetzt in einem sogenannten Quick-Check einmal abchecken mit den Dechanten und Vorsitzenden der Dekanats-Katholikenräte und weiteren Referenten, die auf einer Dekanatsebene tätig sind. Und zwar mit der Frage: Haben wir da irgendetwas ganz wesentliches übersehen? Können wir uns mit diesem Vorschlag überhaupt blicken lassen oder werden wir da nur ausgelacht?
Wir hoffen, dass wir in den kommenden zwei Wochen diese Quick-Checks durchkriegen und dann auch vor Ostern mit dem zentralen Vorschlag rauskommen. Der zentrale Vorschlag wird hier oder da auch schon Alternativen beinhalten, weil es in der Tat auch beim Nachdenken und Beraten mit verschiedenen Menschen nicht immer nur Eindeutigkeiten gibt. Es gibt auch Bereiche, da ist es schon relativ eindeutig. Es gibt ja sogar Bereiche, die schon länger unterwegs sind. Da schlagen wir vor, dass diese längere Weggemeinschaft von Seelsorgebereichen - die wir ja derzeit Sendungsraum nennen - dass das dann auch die zukünftige pastorale Einheit sein wird. Aber der Vorschlag soll eben anregen, sich vor Ort im eigenen Seelsorgebereich aber auch gerne mit den benachbarten Seelsorgebereichen zusammenzusetzen, zu überlegen: Ist das für uns der richtige Zuschnitt? Können wir das nochmal anders denken, als es der zentrale Vorschlag tut? Und das soll ja gerade die Beratungsphase jetzt über den Sommer bringen, dass da einfach vor Ort nach der besten Möglichkeit gesucht wird. Natürlich unter bestimmten Rahmenbedingungen. Denn ansonsten würden wir vermutlich wieder bei 180 Einheiten rauskommen. Aber es muss ja irgendwas um die 60 rauskommen, damit wir eben den Herausforderungen, die wir sehen, für die Zukunft auch wirklich gerecht werden können.
DOMRADIO.DE: Nicht jeder oder jede, die sich im Ortsausschuss oder sonstwie in der Pfarrei engagiert, überschaut vielleicht sofort, wie diese pastoralen Einheiten funktionieren sollen. Gibt es denn auch Hilfen für die ehrenamtlich Tätigen?
Bosbach: Es soll auf der Ebene der Dekanate Teams geben, die zusammen mit dem Dechanten dort den Prozess gestalten, die dann auch erste Hilfestellungen leisten können. Dazu stehen wir natürlich auch aus dem Generalvikariat bereit. Es wird eine Art Werkzeugkoffer geben, wo es nicht nur das Kartenmaterial gibt, um sich das auch auf der Landkarte nochmal vor Augen zu halten, sondern auch ein paar Kennziffern zu den Seelsorgebereichen. Aber im Wesentlichen wird es natürlich vom Gespräch der Menschen leben, die vor Ort ihre Bereiche kennen und das, was ihnen wichtig ist, in die Diskussion einbringen.
DOMRADIO.DE: Sie haben auch gesagt, dass Sie sich von dem Prozess ein besseres Miteinander im Erzbistum erhoffen, weil sich eben die Menschen vor Ort austauschen sollen. Glauben Sie denn, dass das wirklich so halbwegs reibungslos funktionieren wird?
Bosbach: Das wissen wir nicht. Aber jeder Prozess beinhaltet natürlich immer als ein sogenanntes Prozessrisiko Konflikte. Auch da haben wir versucht, dem Ganzen zu entsprechen, durch eine subsidiäre Struktur. Das heißt, ein Konflikt - etwas, wo man vielleicht nicht weiterkommt - soll immer zunächst auf der möglichst unteren Ebene gelöst werden. Und erst wenn es da nicht gelingt, wird die nächsthöhere Ebene versuchen, in die Konfliktmoderation einzusteigen.
Aber ich bin eigentlich gewiss, dass wir gute Rückmeldungen bekommen werden und dass das auch nicht übermäßig große Konflikte hervorrufen wird. Ob am Ende das, was rauskommt, allen gleichermaßen gefällt, das ist eine ganz andere Frage. Es wird sicherlich immer Menschen geben, die sich mehr mit einer Lösung anfreunden können als andere. Das ist aber ganz natürlich bei so einem Prozess. Und ich finde es jetzt nicht dramatisch, wenn es da sehr unterschiedliche Auffassungen zu gibt. Aber wie gesagt, Konflikte sind ja immer ein Zeichen dafür, dass man sich mit einer Sache auseinandersetzt und für eine Sache auch einsteht, die einem wichtig ist. Und wenn das in einer guten und auch wertschätzenden Weise passiert, sind Konflikte in diesem Prozess vielleicht sogar gewollt, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.
DOMRADIO.DE: Jetzt geht es, wie gesagt, bis Ende des Jahres um den geografischen Zuschnitt. Wann rechnen Sie damit, dass diese Pastoralen Einheiten insgesamt ungefähr funktionieren? Gibt es so etwas wie einen Zeithorizont?
Bosbach: Funktionieren klingt so: Irgendwann kann man einen Haken dran machen. Ich glaube, so funktioniert Seelsorge nicht. Es wird sicherlich auch in Zukunft immer etwas sehr Dynamisches bleiben. Entscheidend ist ja die Frage für uns im Erzbistum Köln: Welche Gestalt werden denn dann diese zukünftigen Pastoralen Einheiten mal haben? Da gibt es ja ein Modell, das nennen wir "Pfarrei der Zukunft", das in den vergangenen Jahren in vielen Details erarbeitet worden ist, auch unter der Beteiligung vieler Männer und Frauen aus den Pfarreien und mit Fachleuten. Es gibt da jetzt ein alternatives Modell, das den Arbeitstitel "Dynamischer Sendungsraum" trägt. Wir haben jetzt angefangen, diese beiden Modelle in einen Vergleich zu bringen. Es wird sicherlich eine entscheidende Aufgabe der nächsten Monate sein - sicher bis hinein ins nächste Jahr - auch diese Fragestellung in einem partizipativen Prozess auf der diözesanen Ebene gut miteinander zu besprechen. Das Thema muss sicherlich im Diözesanpastoralrat nochmal aufgerufen werden. Wir hoffen, dass wir dazu Gelegenheiten haben, wenn jetzt die ersten Begegnungen dieses wichtigen Gremiums mit dem Erzbischof gelaufen sind. Dass wir dann bald dort auch hoffentlich wieder zum inhaltlichen Arbeiten an dieser ganz, ganz wichtigen Fragestellung kommen. Denn die interessiert die Menschen vor Ort viel, viel mehr als die Frage des territorialen Zuschnitts.
Das Interview führte Matthias Peter.