DOMRADIO.DE: An diesem Donnerstag hat das Erzbistum Köln sein Personalkonzept für die Stadt Köln vorgelegt. Es geht darum, die kirchlichen Angebote auch der neuen Situation anzupassen. Köln ist nicht nur das Köln der 1970er Jahre. Darauf muss Kirche reagieren, oder?
Msgr. Markus Bosbach (Leiter Hauptabteilung Seelsorgebereiche im Erzbistum Köln und stellvertretender Generalvikar): Der Kirche steht es immer gut, auf die Herausforderungen der Zeit zu reagieren. Wir laden jetzt diejenigen ein, die sich hier in der Kölner Innenstadt in der Vielfalt der vielen Gemeinden engagieren, zusammen mit denen, die jetzt hauptamtlich ernannt sind, sich für diesen Bereich, diesen Herausforderungen zu stellen. Sich zu fragen, wie unsere Sendung als katholische Christen hier in dieser Stadt aussieht, wie wir in Zukunft Kirche an den verschiedenen Orten sein wollen. Wie wir die verschiedenen Orte weiterentwickeln wollen, damit nicht Kirche als Stillstand wahrgenommen wird, sondern als dasjenige, das auf Menschen zugeht. Das neue Wege der Verkündigung sucht, das lebendige Orte der Feier des Glaubens entwickeln will.
DOMRADIO.DE: Es geht ja auch darum, wie man die Menschen besser erreichen kann, die kaum noch ihren Glauben praktizieren. Wie kann das gelingen?
Msgr. Bosbach: "Es gibt so viele Wege zu Gott wie es Menschen gibt", hat einmal Papst Benedikt gesagt. Deshalb gibt es sicherlich auch ganz viele verschiedene Wegweisen, um Menschen anzusprechen. Am Ende haben natürlich nicht wir es in der Hand, ob das, was ausgesät wird, auch fruchtet. Ohne Gottes Gnade, sagen wir Theologen, geht es auch nicht.
Aber dennoch will der Erzbischof - uns hat er als seine Verwaltung dazu beauftragt, ihn zu unterstützen - natürlich auch mit seinen Möglichkeiten helfen. Und so hat er zum Beispiel eine geistliche Gemeinschaft eingeladen, hier in die Stadt Köln zu kommen. Das ist eine Gemeinschaft, die sich schon in verschiedenen Städten, zum Beispiel in München oder auch in Münster, aktiv einbringt, etwa in die Stadt-Seelsorge. Diese Gemeinschaft hat er eingeladen, auch hier in Köln eine Niederlassung zu gründen. Das ist die Gemeinschaft Emmanuel, die in Frankreich entstanden ist, die eine Laien-Gemeinschaft ist, in der es auch einige Priester gibt. Aber überwiegend sind es getaufte engagierte Laien, die gemeinsam zwischen Priestern und Laien einen Weg einer missionarischen, evangelisierenden Pastoral in den Städten suchen.
DOMRADIO.DE: Polemisch verkürzt hat es im Vorfeld in den Medien ja geheißen: Der katholischen Kirche gehen die Pfarrer aus. Also alles wird in Köln zu einer Großstadtpfarrei mit einem Großstadtpfarrer zusammengelegt. Alles Unsinn?
Msgr. Bosbach: Das ist in der Tat nicht richtig wie es behauptet wird. Vielleicht muss man noch klarstellen: Es gibt in der Kölner Innenstadt sechs Seelsorgebereiche. Diese Seelsorgebereiche bleiben auch bis auf Weiteres so bestehen. Es geht jetzt nicht darum, hier irgendeine neue Struktur zu schaffen. Sehr wohl bekommen vier dieser Seelsorgebereiche einen gemeinsamen leitenden Pfarrer und auch alle anderen, die pastoralen Dienst da tun, werden für diese vier Seelsorgebereiche ernannt.
Dieser leitende Pfarrer hat darüber hinaus die Aufgabe, mit den verbleibenden zwei Seelsorgebereichen dann auch ins Gespräch zu kommen und für diesen ganzen Sendungsraum eine Art koordinierende Aufgabe wahrzunehmen, also eine moderierende Aufgabe, um einfach diesen Zukunftsprozess auch hier auf den Weg zu bringen; die Beschäftigung mit der Frage "Wie wollen wir in die Zukunft gehen?". Perspektivisch wird dieser leitende Pfarrer dann auch einmal irgendwann Pfarrer der übrigen Seelsorgebereiche werden, dann nämlich, wenn die jetzt dort amtierenden Pfarrer zum Beispiel in Ruhestand gehen werden.
DOMRADIO.DE: Also sechs Seelsorgebereiche bleiben alle soweit erhalten, werden nicht fusioniert. Dominik Meiring wird aber als leitender Pfarrer eingesetzt. Ihm zur Seite stehen aber auch vier Pfarrvikare.
Msgr. Bosbach: Genau, neben dem Pfarrer gibt es natürlich weitere Priester. Es gibt in einer Innenstadt gemeinsame Herausforderungen, und da gibt es vieles, was wir gut zusammen tun können. Beispiel Öffentlichkeitsarbeit oder zum Beispiel die ganze Last der Baubetreuung von den großen wichtigen alten Kirchen. Ein weiteres Beispiel: die Entwicklung neuer Gottesdienstformate, die niederschwellig auch Leuten offenstehen wollen, die jetzt noch nicht direkt etwas mit der Heiligen Messe als Hochform unseres Gottesdienstes anfangen können.
Und so lassen sich sicher viele Dinge finden. Und das wird eine ganz wichtige Aufgabe des Pfarrers und der Seelsorger sein, das zu fördern und die Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, damit wirklich viele gute neue Früchte entstehen können.
DOMRADIO.DE: Mit der Gemeinschaft Emmanuel kommen noch zwei ganz neue Pfarrer aus Münster. Da kann man jetzt nicht sagen, dass die Kölner Innenstadt unterversorgt sei oder dass der Kölner Erzbischof seine Pfarrer bis zur Erschöpfung ausblute.
Msgr. Bosbach: Das kann man sicher für die Kölner Innenstadt nicht sagen. Hier werden wir personell gut ausgestattet sein. Sicherlich, wenn man das vergleicht mit dem, was mal war, wird man immer feststellen: Es ist weniger. Aber das, wie es jetzt ist, ist - glaube ich - angemessen.
Und es kommen auch neue Akzente. Gerade die Gemeinschaft Emmanuel steht vielleicht auch in der Weise, wie sie arbeitet, zeichenhaft dafür, was in vielen Orten auch in der Innenstadt ja schon begonnen hat. Nämlich dass Leben da ist, wo Menschen auch aus der Berufung ihrer Taufe etwas gemeinsam zum Leben bringen. Wir sind nicht mehr in der Zeit, wo etwas nur dann lebt, wenn der Pfarrer es leben lässt oder ins Leben bringt. So funktioniert das heute nicht mehr.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielen denn Ehrenamtliche in dem Konzept?
Msgr. Bosbach: Eine ganz wichtige. Es wird nichts leben, es wird sich nichts entfalten, wenn nicht getaufte engagierte Menschen mitmachen. Es ist nicht eine Kirche der Hauptamtlichen, sondern eine Kirche aller Berufungen. Da hat der Priester seinen Dienst, da hat eine Pastoralreferentin - die im Übrigen auch neu kommt - ihren Dienst und ihre Aufgabe. Und da haben eben auch alle Getauften eine ganz entscheidende Aufgabe, nämlich ihre Sendungen, die ihnen mit der Taufe und mit der Firmung geschenkt ist, auch zu leben. Diese Sendung heißt Zeugnis abzugeben für den lebendigen Christus, Menschen damit in Berührung zu bringen. Und ich bin ganz zuversichtlich und froher Hoffnung, dass sich in dem Weg, der jetzt beginnt, ganz viele Möglichkeiten eröffnen. Vor allen Dingen auch für Engagierte, die heute vielleicht noch gar nicht engagiert sind.
DOMRADIO.DE: Für das neue Kölner Konzept haben Sie den Begriff "Sendungsraum" ausgewählt. Woran mag das liegen, dass der in den Medien nicht positiv angekommen ist?
Msgr. Bosbach: Er mag auch deshalb Ablehnung erfahren, weil man dahinter dem Bischof unterstellt, dass er doch heimlich irgendeine Strukturreform durchführt. Man glaubt dem Bischof leider nicht, dass er zunächst einmal zumuten will, sich dieser Frage nach der Sendung zu stellen, nach der Zukunft von Kirche-Sein. Der Bischof könnte ja auch sehr schnell mit Strukturen antworten, wie das ja viele Bistümer tun.
Natürlich mögen sich Strukturen dann am Ende ändern. Wir sehen das bei Sendungsräumen, die schon länger unterwegs sind; da ändern sich dann auch Strukturen, wenn man erkennt, dass es auch gut und sinnvoll ist, bestimmte Dinge zu ändern, damit sie besser gemacht werden können oder effektiver oder dass es weniger kostet. Das ist aber alles etwas, das dann folgen muss. Die Struktur dient nämlich immer der Pastoral und nicht umgekehrt.
DOMRADIO.DE: Wichtig ist auch, dass dieses neue Kölner Innenstadt-Konzept ein offenes Modell ist, das neue Möglichkeiten schaffen soll. Da ist bei weitem nicht alles in Stein gemeißelt, oder?
Msgr. Bosbach: Nein, überhaupt nicht. Köln-Innenstadt ist ja auch schon der zehnte Sendungsraum im Erzbistum Köln. Das heißt, wir haben jetzt auch schon erste Erfahrungen. Jeder Sendungsraum hat eine eigene Dynamik. Das ist auch schön und zeigt eigentlich, dass hier nicht irgendwie ein Modell auf alles gegossen wird. Sondern diese Räume entwickeln sich sehr unterschiedlich.
Was, glaube ich, allen Sendungsräumen gemeinsam ist, ist eine große Herausforderung für die, die dort hauptamtlich im pastoralen Dienst tätig sind. Das heißt nämlich, ganz stark auch an einem Wechsel der eigenen Rolle mitzuarbeiten, eben nicht mehr für alles und jedes der einzige Ansprechpartner sein zu wollen oder zu können, sondern auch loslassen zu können, Verantwortung abzugeben, Verantwortung geteilt zu leben. Die Hauptamtler werden zunehmend eine Rolle finden, die heute gerne mit "Ermöglicher" umschrieben werden. Also das sind die, die etwas möglich machen, was andere gerne entwickeln möchten.
Das Interview führte Johannes Schröer.