Der auf einer britischen Sanktionsliste stehende russische Unternehmer und Milliardär Moshe Kantor tritt als Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses zurück. Das teilte der Dachverband am Freitag auf Anfrage mit und bestätigte so einen Bericht der "Jüdischen Allgemeinen". Der 68-Jährige lege sein Amt mit sofortiger Wirkung nieder, um eine ungestörte Weiterarbeit des Kongresses zu ermöglichen.
Der Europäische Jüdische Kongress dankte Kantor zugleich für seinen "beispiellosen Beitrag über viele Jahre für ein blühendes jüdisches Leben in Europa". Kantor stand dem Verband seit 2007 vor. Zuletzt wurde er im Oktober 2020 einstimmig wiedergewählt. Das Exekutivkomitee des Kongresses will der Mitteilung zufolge in Kürze weitere Schritte erörtern. Wer Kantor nachfolgen könnte, ist unklar.
Britische Sanktionsliste
Die britische Regierung hatte Kantor zusammen mit sieben weiteren Personen am Mittwoch auf die Liste russischer Oligarchen gesetzt, die in besonderer Nähe zu Präsident Wladimir Putin stehen sollen. Kantor sei als größter Anteilseigner des russischen Chemie- und Düngemittelkonzerns Akron in wirtschaftlich wichtigen "Bereichen von strategischer Bedeutung" tätig, hieß es zur Begründung. Er profitiere von seiner Unterstützung der russischen Regierung.
Der Europäische Jüdische Kongress hatte zunächst bestürzt reagiert und zur Rücknahme der Entscheidung aufgerufen. Kantor setze sich seit Jahrzehnten für Europas jüdische Gemeinden und für den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ein. Zahlreiche Regierungen und Staatschefs hätten ihn dafür mit höchsten Auszeichnungen geehrt. Auf Geschäftstätigkeiten des Philantropen ging die Pressemitteilung nicht ein.
Gründung World Holocaust Forum
Auch in der aktuellen Stellungnahme ließ der Europäische Jüdische Kongress die Frage nach der Stichhaltigkeit der britischen Vorwürfe unbeantwortet.
Der in Moskau geborene Wjatscheslaw Moshe Kantor baute nach dem Ende der Sowjetunion das Mineraldüngerunternehmen Azot in Nowgorod zu einem der führenden Agrarkonzerne Russlands, Akron, um. Kontakte in den Staatsapparat des damaligen Präsidenten Boris Jelzin ließen ihn in die Wirtschaftselite aufsteigen. 2005 rief er das World Holocaust Forum ins Leben.