Tausende Christen ziehen zu Palmsonntag über den Ölberg

Vorösterlicher Jubel in Jerusalem

Die Erleichterung im Heiligen Land ist groß: Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie konnte die traditionsreiche Palmsonntagsprozession in Jerusalem wieder wie gewohnt stattfinden.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, beim Abschluss der Palmsonntagsprozession vor der Annakirche in der Altstadt von Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, beim Abschluss der Palmsonntagsprozession vor der Annakirche in der Altstadt von Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

"Alle sind herzlich willkommen." Auf diese Worte hatte man im Heiligen Land zwei Jahre lang gewartet. Nach einem coronabedingt prozessionsfreien Palmsonntag 2020 und der streng regulierten Version 2021 kam Anfang April die Nachricht: Die Palmsonntagsprozession 2022 wird "ohne jegliche Einschränkungen und in traditioneller Weise stattfinden". So zogen am Sonntag bei sonnigem Wetter Tausende einheimische Christen und auch wieder Pilger aus aller Welt mit Ölzweigen, Palmwedeln und lauten Hosanna-Rufen über den Ölberg Jerusalems.

Palmprozession erinnert an biblisches Geschehen

"Wir brauchen einander, um die Kirche lebendig und geisterfüllt zu halten", mahnte eine Vertreterin der palästinensischen christlichen Jugend die im Hof der Kirche von Betfage versammelten Kirchenvertreter. Die Jugend müsse die Chance haben, sich einzubringen. Dann segnete der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, Ölzweige, Palmwedel sowie die versammelten Gläubigen unter lautem Jubel.

Teilnehmer feiern und singen bei der Palmsonntagsprozession in Jerusalem. Ein Mann spielt im Gehen Gitarre. / © Andrea Krogmann (KNA)
Teilnehmer feiern und singen bei der Palmsonntagsprozession in Jerusalem. Ein Mann spielt im Gehen Gitarre. / © Andrea Krogmann ( KNA )

Nach alter Tradition wird in Betfage der Stein verehrt, von dem aus Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem auf den Esel gestiegen sein soll. Die Palmprozession erinnert an dieses biblische Geschehen vor der Kreuzigung Jesu und ist für Pilger einer der Höhepunkte der Karwoche in Jerusalem. Dass sie in diesem Jahr wieder möglich ist, sei wunderbar, sagt Luis aus Regensburg. Der Student nutzt die Semesterferien, um sich einen Traum zu erfüllen: "einmal im Leben ans Grab Christi, aus dem Glauben heraus".

"Heimat aller Völker"

"Nach einer langen Reise sind wir endlich in Jerusalem angekommen", sagte Patriarch Pizzaballa zum Abschluss der Prozession im Hof der Anna-Kirche in der Jerusalemer Altstadt. Worte, die erneut für Jubel sorgten und die sich auf mehr als einer Ebene verstehen lassen. Lang war für einheimische Christen und Pilger nicht nur die Anreise aus Palästina, aus Israel, Jordanien und Zypern sowie der restlichen Welt. Schier endlos schien auch die Distanz, die zwei Jahre Pandemie zwischen die heiligen Stätten und ihre Besucher legten.

Teilnehmer bei der Palmsonntagsprozession in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Teilnehmer bei der Palmsonntagsprozession in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

"Wir haben auf eure Rückkehr gewartet und dafür gebetet. Und jetzt bringt eure Anwesenheit uns Hoffnung und Freude, sie wird viele Familien zum Lächeln bringen", grüßte Pizzaballa die ausländischen Gäste der Palmsonntagsprozession. Jerusalem sei als "Heimat aller Völker" auch ihre Heimat. Die Prozession mit der bunten Vielfalt an Teilnehmern sei dabei nicht nur Erinnerung an die Vergangenheit, sondern Ausdruck der Liebe zu Jerusalem und des Wunsches nach Frieden und Einheit, so der Italiener.

Wachsende Gewalt im Heiligen Land

Als besorgniserregend bezeichnete der Franziskaner die Ereignisse der vergangenen Wochen, darunter die wachsende Gewalt im Heiligen Land, den Krieg in der Ukraine und an anderen Orten der Welt. Er rief dazu auf, die Stadt, die bis heute unter Spaltungen, der Logik des Besitzes und des Exklusivismus leide, zu einem "Ort der Heilung für alle Völker" zu machen. Die Menge bedachte seine Worte mit Applaus.

Nach Kirchenangaben erhielten rund 720 Christen aus dem Gazastreifen zu Ostern Reiseerlaubnisse für einen Zeitraum von 80 Tagen. Von erheblichen Einschränkungen berichteten unterdessen Christen aus dem besetzten Westjordanland. Unter anderem sei Gruppen aus Ramallah die Einreise nach Jerusalem verweigert oder nur für einen Tag genehmigt worden. Das israelische Tourismusministerium teilte mit, es rechne für die Karwoche und den Seder-Abend des jüdischen Pessachfests mit rund 30.000 Touristen und Pilgern. Das entspreche etwa 70 Prozent der Besucherzahlen vor Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020.

Bereits am Sonntagmorgen hatten sich Hunderte Gläubige zum Palmsonntagsgottesdienst in der Grabeskirche um Patriarch Pizzaballa versammelt. Am Gründonnerstag folgen die Liturgie der Fußwaschung, eine Prozession zum Abendmahlssaal auf dem Berg Zion und eine nächtliche Gebetswache beim Garten Getsemani. Am Karfreitag ziehen Christen mit großen Holzkreuzen im Gedenken an den Leidensweg Jesu über die Via Dolorosa. Die Ostervigil der Katholiken findet am frühen Karsamstag morgen statt.

Lateinisches Patriarchat von Jerusalem

Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem betreut die rund 60.000 bis 70.000 römisch-katholischen Christen im Heiligen Land. Seine Jurisdiktion erstreckt sich über das Staatsgebiet von Israel, Jordanien, Zypern und die Palästinensischen Gebiete. Die Ursprünge des Patriarchats liegen in der Zeit der Kreuzfahrer, die sich als "Lateiner" bezeichneten. Es erlosch jedoch mit dem Fall Akkos 1291. Im Jahr 1847 belebte Papst Pius IX. das Patriarchat neu.

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)
Quelle:
KNA