Niemand könne "den Heiligen Geist für sich in Anspruch nehmen oder anderen den ernsthaften Versuch absprechen, auf ihn zu hören", mahnt Bätzing in seinem Schreiben an den Erzbischof von Denver, Samuel J. Aquila. Beim Synodalen Weg gehe es darum, sich den "systemischen Ursachen des Missbrauchs und seiner Vertuschung zu stellen, der so vielen Menschen in der Kirche und durch die Kirche unsägliches Leid zugefügt hat".
Den Zusammenhang zwischen dieser Aufarbeitung und dem "Versuch, eine glaubwürdige Verkündigung der Frohen Botschaft neu möglich zu machen", erwähne das Schreiben der Bischöfe nicht. "Ich würde mich allerdings sehr wundern, wenn Sie und die Unterzeichner des Offenen Briefes die Bedeutung der Notwendigkeit nicht sähen, sich als Kirche der Frage des Missbrauchs zu stellen und daraus auch für die Kirche und ihre Strukturen Konsequenzen zu ziehen", so Bätzing.
Es sei nötig, offen über Macht und Machtmissbrauch in der Kirche zu sprechen: "Da helfen euphemistische Verbrämungen, wie Sie sie in Ihrem Schreiben versuchen, nicht wirklich weiter."
Bätzing fehlen Begründungen für Vorwürfe
Desweiteren blieben die Unterzeichner Begründungen für ihre Vorwürfe gegenüber den deutschen Katholiken schuldig, beklagt Bätzing. "Sofern Ihre Einwände, Bedenken und Mahnungen Ausdruck echter Sorge sind, kann ich Sie jedoch offenen Herzens beruhigen: Diese Befürchtungen im Hinblick auf den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland treffen nicht zu." Der Synodale Weg untergrabe "in keinster Weise" die kirchliche Autorität oder die des Papstes.
Zugleich werde "sehr sorgfältig differenziert", welche Veränderungen die Mitglieder der Bischofskonferenz realisieren könnten und welche Anliegen "in den weltkirchlichen Kontext, insbesondere in den Synodalen Weg der Weltkirche, eingebracht werden müssen." An diesem Prozess würden sich die deutschen Katholiken "mit großen Hoffnungen" beteiligen. Er sei sicher, so Bätzing, dass sich viele Bischöfe, Getaufte und Gefirmte mit ähnlichen Themen befassten.
Die Bischofskonferenz hat das bereits am Donnerstag versandte Schreiben am Samstag auf ihrer Homepage dokumentiert.
Kritiker fürchten Kirchenspaltung
In ihrem Schreiben vom Wochenbeginn hatten 74 Bischöfe die Befürchtung geäußert, die angestrebten Reformen könnten abermals in der Geschichte eine Kirchenspaltung von deutschem Boden auslösen. Von einer solchen Gefahr könne nicht die Rede sein, schreibt Bätzing.
Die Kritikpunkte der Bischöfe decken sich in Teilen mit den Vorbehalten der Bischofskonferenzen Polens und Nordeuropas, die schon zuvor den synodalen Prozess kritisiert hatten. Zu den Unterzeichnern des jetzigen Briefs gehören neben dem Papstkritiker und ehemaligen Chef der Apostolischen Signatur, Kardinal Raymond Burke, die Wortführer der Traditionalisten in der US-Bischofskonferenz, Joseph Nauman (Kansas), Samuel Aquila (Denver), Thomas Paprocki (Illinois), Salvador Cordileone (San Francisco), Charles Chaput (Philadelphia) und Joseph Strickland (Tyler).
Sie werfen der Kirche in Deutschland vor, "soziologische Analysen und zeitgenössische politische Ideologien, einschließlich der Genderideologie", wichtiger zu nehmen als die Bibel.
Bischöfe und Laien beraten über Zukunft der Kirche
Im Synodalen Weg beraten deutsche Bischöfe und Laienvertreter seit 2019 über die Zukunft der katholischen Kirche. Ausgangspunkt ist eine jahrelange Kirchenkrise, die der Missbrauchsskandal verschärft hat.
In der Debatte geht es vor allem um die Themen Macht, Priestertum und Sexualmoral sowie um die Rolle der Frauen in der Kirche. Für September ist die vierte Synodalversammlung geplant, die fünfte und letzte für März 2023.