Bevor der Erzbischof nach einem festlichen Pontifikalamt zu Ostern den päpstlichen Segen mit dem vollkommenen Ablass spendet, richtet Kardinal Woelki noch einmal mit einem gewinnenden Lächeln ein letztes Wort an die Gemeinde. "Wir haben es nicht immer so ganz einfach", beginnt er und setzt nach einer kurzen Pause hinzu, "mit uns selbst und auch mit der Kirche. Aber wir gehen für die beste Botschaft, die es auf dieser Welt gibt, und das ist das Evangelium", das nicht einfach nur eine Sache oder ein Buch sei, wie er erklärt, sondern eine Person: Jesus Christus. "Und für ihn, den Auferstandenen, lohnt es sich zu gehen", betont Woelki. "Denn wer hat eine solche Botschaft wie er? Wer ist eine solche Botschaft wie er?", ruft er in den Dom. "Er, der das Leben, er, der das Glück, er, der die Liebe schlechthin ist. Wonach sehnt sich ein jeder mehr als nach Glück, als nach Annahme, als nach Liebe? In ihm finden wir alles erfüllt."
Und dann appelliert er an seiner Zuhörer, als österliche Menschen zu leben und Zeugnis von diesem Leben zu geben – und das nicht nur an diesem Ostertag, sondern ein ganzes Leben lang: als Menschen voller Hoffnung, als Menschen, die bereit sind, dort wo Tod ist, Leben zu bringen, dort, wo Streit, Hass und Krieg ist, Frieden, Versöhnung und Barmherzigkeit zu bringen – und damit das Leben. "Denn als Christen sind wir Menschen des Lebens", unterstreicht der Kardinal mit Nachdruck.
In seiner Predigt hatte er zuvor an Gottes Verheißung erinnert, "dass das Leben nicht mit dem Tod zu Ende geht, sondern durch das Tor des Todes in die Auferstehung und das Ewige Leben führt". Woelki erklärt: "Das gibt unserem Leben und sogar unserem Sterben Sinn. Diese Hoffnung prägt und bestimmt schon jetzt unser Leben." Wo sich Menschen auf den auferstandenen Christus und damit auf ihre persönliche, künftige Auferstehung hin ausrichteten, würden sie bewahrt vor dem rücksichtslosen Willen zur Macht, zu Profit, Besitz und Gier. "Sie werden frei von all den versklavenden Götzen unserer Zeit, die vom Tod gezeichnet sind und im letzten zum Tode führen. Sie werden frei für Gott, frei für den Nächsten, frei für ein erfülltes menschliches Leben."
Ostern, die Auferstehung des Herrn, sei nicht einfach ein Geschehen, das sich vor 2000 Jahren in der Vergangenheit ereignet habe, sagt Woelki außerdem, sondern auch Gegenwart und setze sich fort bis ans Ende der Welt, selbst wenn das Wort "Der Herr ist wahrhaft auferstanden" die menschliche Sprache und Vorstellungskraft, die sich am Sehen, Hören, Betasten, Berühren und Erleben ausrichte, übersteige. "Unser Erkennen wird von der von uns erfahrenen Wirklichkeit bestimmt. Die Wirklichkeit des vom Tode auferstandenen Herrn aber ist etwas total Neues. Sie ist von ganz anderer Art als alles, was unserer Erfahrung zugänglich ist", erklärt er. "Was dieses Neue ist, geht uns erst auf, wenn wir mit dem Auferstandenen in Kontakt kommen, wenn wir ihn – wie die Apostel damals – berühren dürfen. Als er am Ostermorgen zu ihnen kommt, da zeigt er ihnen seine Hände und Füße mit den Malen der Nägel, damit sie erkennen können: Das ist er ja wirklich!"
Diese Erfahrung des Unglaublichen hätten auch die Frauen, die am Ostermorgen das Grab aufsuchten, gemacht, dann die Emmaus-Jünger, die auf Jesus gesetzt hatten, nach seinem Tod ihre Hoffnungen aber enttäuscht sahen, um dann in eine für sie völlig neue göttliche Wirklichkeit geführt zu werden. Und nicht zuletzt Paulus, den die Begegnung mit dem Auferstandenen nicht nur aus dem Sattel, sondern aus seiner Lebensbahn geworfen habe. "Sie wirft ihn heraus aus der Enge des Gesetzes hinein in die Freiheit der Kinder Gottes, hinein in das Leben mit Christus. Paulus wird ein neuer Mensch, ein österlicher Mensch. Er beginnt ein neues Leben."
Wer mit dem auferstandenen Herrn in Berührung komme, der komme folglich mit Gottes Gott-Sein in Berührung. Im Auferstandenen lasse uns Gott erkennen, dass er das Leben sei und lebendig mache. "Er ist strömendes, sich verschenkendes Leben", so Woelki. An Ostern habe er auch den gekreuzigten Christus in sein ewiges, unendlich von Liebe strömendes Gottes-Leben hineingenommen. Das zeige, was er mit einem Jeden vorhabe. "Er will uns alle in Christus mit seinem Leben, im letzten mit sich selbst erfüllen, auf dass wir ewig mit ihm leben. Mit uns wird es also einmal genau so sein wie mit Jesus. Es wird das geschehen, was damals in Jerusalem an Ostern mit Jesus geschehen ist. Das wird sein, wenn die Toten auferstehen. Christus ist der Erste, und dann folgst du und du und du", wendet sich der Erzbischof sehr direkt an seine Zuhörer, bevor er ergänzt, "und hoffentlich auch ich."
"Wir kennen nicht unsere Zukunft", fährt er fort, "aber wir kennen viel mehr als diese: Wir kennen unser Ziel. Und dieses Ziel ist die Auferstehung. Und dieses Ziel ist unser – mein – Ostern. Das ist es, was meinem Leben Halt, Orientierung, Kraft und Freude und im letzten Hoffnung gibt." Denn wer um Ostern wisse, könne nicht verzweifeln", zitiert Woelki den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Genau diese Lebenshoffnung und Lebenszuversicht wünsche er allen an diesem Ostermorgen von ganzem Herzen, beendet der Kardinal seine Predigt. "Denn der Herr ist wirklich auferstanden, ja, er ist wahrhaft auferstanden!"