Verbände fordern mehr Unterstützung bei Integration

Schaffen wir das?

Verbände und Hilfswerke haben größere Anstrengungen bei der Unterbringung und Integration ukrainischer Flüchtlinge gefordert. Der Deutsche Caritas-Verband mahnte etwa mehr Unterstützung und Begleitung für private Gastgeber an.

Schulen unterrichten geflüchtete Kinder aus der Ukraine / © Annette Riedl (dpa)
Schulen unterrichten geflüchtete Kinder aus der Ukraine / © Annette Riedl ( dpa )

Der Präsident des Lehrerverbandes, Peter Meidinger, plädierte für unbürokratische Hilfe bei der Aufnahme von ukrainischen Kindern und Jugendlichen in die Schulen. Die Verbände äußerten sich anlässlich des Runden Tisches zur Flüchtlingsintegration im Kanzleramt am Montag in Berlin.

Große private Unterstützung

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa verwies darauf, dass Anfang April fast ein Viertel der Flüchtlinge aus der Ukraine (24 Prozent) in Deutschland bei Freunden untergekommen war. Insgesamt 22 Prozent lebten in einer sonstigen Privatwohnung und 19 Prozent wohnten bei Verwandten.

Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritaspräsidentin / © Philipp von Ditfurth (dpa)
Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritaspräsidentin / © Philipp von Ditfurth ( dpa )

"Nun müssen Gastgeber und Geflüchtete dringend unterstützt werden, damit die Bereitschaft zur Unterbringung und Begleitung nachhaltig weiterbesteht", sagte Welskop-Deffaa. Konflikte müssten so früh und so gut wie möglich vermieden werden. Nötig seien dafür ausreichend Beratung, Begleitung und eine Vermittlung im Konfliktfall. "Ohne Unterstützung drohen Enttäuschung und Überforderung oder gar ein Abbruch der Aufnahme", betonte die Caritas-Präsidentin.

Es fehlen Lehrkräfte

Mit Blick auf die Integration geflüchteter Kinder und Jugendlichen in die Schulen sagte Meidinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass in diesem Jahr nicht genügend Lehrkräfte dafür eingestellt werden könnten.

Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des Lehrerverbandes und Schulleiter des Robert-Koch-Gymnasiums in Deggendorf / © Armin Weigel (dpa)
Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des Lehrerverbandes und Schulleiter des Robert-Koch-Gymnasiums in Deggendorf / © Armin Weigel ( dpa )

"Es ist unrealistisch, dass wir über 50.000 zusätzliche Lehrkräfte in diesem Jahr neu einstellen können. Das ist nicht zu schaffen", sagte der Meidinger. "Vor Ort müssen wir flexibel sein: Integration der ukrainischen Kinder und Jugendlichen auch in Regelklassen, in denen sie dann am Musik- und Sportunterricht und allen Themen teilnehmen können, in denen sie nicht perfekte Deutschkenntnisse brauchen", forderte der Lehrerverbandspräsident.

Ein besonderes Augenmerk gelte geflohenen Minderjährigen und solchen, die aus ukrainischen Waisenhäusern und Kinderheimen kommen, betonte Familienstaatssekretärin Ekin Deligöz. Eine nationale Melde- und Koordinierungsstelle gewährleiste seit Ende März die geordnete Verteilung und Unterbringung dieser Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit ihren vertrauten Bezugspersonen in Deutschland.

Aktuell stehe zudem die Unterstützung und Unterbringung von alten Menschen und Menschen mit Behinderungen im Fokus, darunter die von der Jewish Claims Conference organisierte Evakuierung von hochbetagten Holocaustüberlebenden aus der Ukraine. Nach Angaben der Organisation konnten bislang 78 von ihnen nach Deutschland gebracht und in elf Bundesländern werden.

Defizite bei Verteilung der Geflüchteten

Mehrere kirchliche Hilfswerke sehen weiterhin Defizite bei der Verteilung von Geflüchteten aus der Ukraine auf Städte und Unterkünfte in Deutschland. Es gebe derzeit weder vom Bund noch in den einzelnen Ländern ein eindeutiges Zuweisungssystem, was "zu einem starken Stadt-Land-Gefälle" führe, erklärte der Präsident des Malteser Hilfsdienstes, Georg Khevenhüller. 

So zeigten Aufzeichnungen der Malteser, dass bislang rund zwei Drittel der Ukrainer, die in kommunalen Unterkünften in ländlichen Regionen ankommen, entweder sofort oder nach spätestens ein bis zwei Tagen wieder weiterreisten, da sie in größere Städte wollten.

Aus Sicht der Malteser gibt es zudem zunehmend eine "Ungleichbehandlung von geflüchteten Menschen aus der Ukraine und 'anderen' Schutzsuchenden", etwa in Form von verkürzten Wartelisten für Sprachangebote bis hin zu Spenden und Aktionen nur für Ukrainerinnen und Ukrainer. "Die Integration aller Menschen ist damit nicht gewährleistet und läuft Gefahr, zu einer Mehr-Klassengesellschaft mit Konflikten unter den Geflüchteten zu führen", kritisierte Khevenhüller.

Besser Planung gefordert

Auch die Johanniter fordern eine bessere Planung. "Das oberste Ziel muss es sein, Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, langfristig eine angemessene Unterkunft zu bieten", erklärte der Präsident der Johanniter-Unfall-Hilfe, Volker Bescht. "Vor allem Frauen, Kinder, ältere und erkrankte Menschen - die Mehrzahl der Geflüchteten aus der Ukraine also - brauchen Privatsphäre, Ruhe, Sicherheit und eine entsprechende soziale und medizinische Betreuung."

Dies sei in Massen- und Notunterkünften kaum zu leisten, sagte Bescht. "Daher ist es notwendig, langfristig ausreichende Kapazitäten für eine angemessene Unterbringung und Betreuung von Menschen, die ihr Zuhause verlassen mussten, aufzubauen und vorzuhalten, die bei Bedarf aktiviert werden können." 

Beide Hilfswerke hoben zudem das ehrenamtliche Engagement bei der Flüchtlingsversorgung hervor. Nur durch den Einsatz der vielen Tausend ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer seit Ausbruch des Krieges könne die Betreuung und Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine geleistet werden, betonte Bescht. "Dieses Engagement ist großartig und wir müssen es entsprechend würdigen und anerkennen." Dabei müsse, so Bescht, die Gleichstellung aller Helfenden im Einsatz bundesweit sichergestellt werden.

Schaffung von Teilhabemöglichkeiten

Integrationsstaatsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) hatte zum Auftakt des Treffens die Schaffung von Teilhabemöglichkeiten für ukrainische Flüchtlinge angemahnt. Sie sprach von einer "nationalen Kraftanstrengung".

Bundeskanzler Olaf Scholz telefoniert / © Kay Nietfeld (dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz telefoniert / © Kay Nietfeld ( dpa )

Bei dem Treffen am Montag wollte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Vertretern der Länder, Kommunen und zivilgesellschaftlicher Verbände über die Aufnahme und Integration von Geflüchteten aus der Ukraine auszutauschen.

Seitens der Bundesregierung nahmen den Angaben zufolge zudem Innenministerin Nancy Faeser, Arbeitsminister Hubertus Heil, Bauministerin Klara Geywitz (alle SPD), Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und für das Familienministerium die Parlamentarische Staatssekretärin Ekin Deligöz (Grüne) teil.

Spenden für Opfer des Krieges in der Ukraine

Viele Menschen möchten den Opfern des Krieges in der Ukraine möglichst konkret helfen. Fachleute halten Geldspenden beinahe immer für den besseren Weg als Sachspenden. DOMRADIO.DE hat eine Liste mit Spendenmöglichkeiten erstellt.

Wer einen Geldbetrag spenden möchte, sollte diesen am besten einer oder maximal zwei Organisationen zukommen lassen. Das mindert den Werbe- und Verwaltungsaufwand der Organisationen.

DOMRADIO.DE empfiehlt Spenden an folgende Hilfsorganisationen:

 

Caritas International

Hilfsbereitschaft für die Ukraine / © Halfpoint (shutterstock)
Hilfsbereitschaft für die Ukraine / © Halfpoint ( shutterstock )
Quelle:
KNA