Religionslehrerin macht lesbische Partnerschaft öffentlich

"Ich möchte keine Angst mehr haben"

Gegen die offizielle Linie der katholischen Kirche finden in diesen Tagen bundesweit Segnungen für homosexuelle Paare statt. Anlass für die Religionslehrerin Silvia Schröder, die Partnerschaft mit ihrer Frau öffentlich zu machen.

Regenbogenfahne am Kirchturm der Kirche Sankt Agnes in Köln / © Klaus Nelissen (KNA)
Regenbogenfahne am Kirchturm der Kirche Sankt Agnes in Köln / © Klaus Nelissen ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie wollten eigentlich am Mittwoch in der Kölner Innenstadtgemeinde Sankt Agnes beim Segnungsgottesdienst mitwirken und sich dort auch outen - dann kam aber ihre Covid-19-Erkrankung dazwischen. Was bedeutet denn "outen" für Sie konkret? 

Silvia Schröder, katholische Religionslehrerin / © Privat (privat)
Silvia Schröder, katholische Religionslehrerin / © Privat ( privat )

Silvia Schröder (Katholische Religionslehrerin): Ich wollte von meinen großen beiden Lieben in meinem Leben erzählen. Und zwar ist das einmal die Liebe zu meinem Beruf als katholische Religionslehrerin. Und das andere ist die Liebe zu meiner Frau, mit der ich seit 20 Jahren verpartnert und dann auch verheiratet bin. 

DOMRADIO.DE: Sie haben schon vor 20 Jahren den Segen für Ihre gleichgeschlechtliche Partnerschaft bekommen. Ihnen wäre es jetzt also gar nicht so wichtig gewesen, gesegnet zu werden. Sie wollten aber auch andere segnen? 

Schröder: Genau. Es ist sehr wichtig, einzuladen und zu sagen: Alle Menschen, die lieben oder auch die, die sich nach Liebe sehnen, möchten sich vielleicht unter den Segen Gottes stellen und sich in ihren Liebesbeziehungen Gottes Beistand wünschen. Liebesbeziehungen sind ja nicht immer nur einfach. Das ist ein Weg, den man zusammen geht. Und dann möchte man vielleicht Beistand, Begleitung haben. Das wollten wir gerne ermöglichen. 

Silvia Schröder, Katholische Religionslehrerin

"Das kommt ganz tief aus meinem Inneren. Es gehört zu meinem Menschsein, zu meiner Person und damit ist es auch irgendwie etwas von Gott Geschaffenes."

DOMRADIO.DE: Die offizielle Lehrmeinung der katholischen Kirche besagt, dass Sie in Sünde leben. Sie sehen das vermutlich anders. Wie begründen Sie das? 

Schröder: Ich habe, als ich gemerkt habe, dass ich mich in Frauen verliebe oder dass ich lesbisch bin, sehr schnell gespürt, dass das etwas ist, was ich mir nicht aussuchen kann. Ich wollte sogar als Jugendliche dagegen anarbeiten und wollte das nicht wahrhaben und habe dann gemerkt: Das kommt aber ganz tief aus meinem Inneren. Es gehört zu meinem Menschsein, zu meiner Person und damit ist es auch irgendwie etwas von Gott Geschaffenes.

Ich habe immer mehr gespürt, dass Gott mich so haben will, wie ich bin. Ich soll lieben und darf es auch leben. Es hieß also nicht, dass ich zwar diese Neigung haben darf, sie aber nicht praktizieren soll. Das fand ich widernatürlich, weil lieben etwas Schönes ist. Ich schenke ja was, ich gebe etwas, gebe sogar auch Leben weiter. Wir haben auch ein Kind bekommen. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich etwas Sündiges mache und mich von Gott entferne. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, dass ich Gott in meinem Leben ganz nah bin. 

Silvia Schröder, Katholische Religionslehrerin

"Ich hatte nie das Gefühl, dass ich etwas Sündiges mache und mich von Gott entferne. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, dass ich Gott ganz nah bin in meinem Leben."

DOMRADIO.DE: Die Kirche sagt: Wo nicht Mann und Frau zusammenkommen, wo nicht die Frau von einem Mann ein Kind empfängt, ist es widernatürlich. Gläubigen Menschen, die sich der katholischen Kirche zugehörig fühlen, bekommen es an dieser Stelle nicht leicht gemacht, egal ob es die Sexualmoral ist oder der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, mit queeren Gläubigen. Wie halten Sie dieses Dilemma aus? 

Schröder: Eigentlich nur, weil ich mich häufiger selbst gefragt habe und mit Menschen den Austausch gesucht habe - auch mit Menschen in der Kirche, mit Priestern und mit Pastoralreferenten und mit Menschen, die für das Erzbistum arbeiten und die mir immer alle gesagt haben: Das ist richtig so, das ist in Ordnung so, leb das so.

Manchmal war ich an dem Punkt, dass ich dachte, ich muss meine Lehrerlaubnis zurückgeben, weil die katholische Kirche es offiziell nicht für möglich hält, dass man beides sein kann, Religionslehrerin und lesbisch. Da habe ich gedacht: Nein, ich bin dazu berufen. Sogar Jesus selbst möchte mich an dieser Stelle haben. 

DOMRADIO.DE: Sie wollten sich in einer Kirchengemeinde outen - das wäre morgen gewesen - tun es aber jetzt noch mal in einer ganz anderen Öffentlichkeit in diesem Rahmen sehr bewusst. Wir haben ausführlich vorher darüber gesprochen, dass das Konsequenzen für Sie als katholische Religionslehrerin haben könnte. Aber Sie wollen diesen mutigen Schritt gehen. Warum? 

Silvia Schröder, Katholische Religionslehrerin

"Ich möchte keine Angst mehr haben."

Schröder: Ich möchte vielleicht auch anderen Menschen Mut machen, das zu tun, da offen zu sein. Und ich möchte keine Angst mehr haben. Ich habe mich jahrelang immer in Angst vor diesen Konsequenzen davor gedrückt, mich zu öffnen. Aber es ist ein authentischer Teil von mir und den möchte ich nicht länger verheimlichen. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

Segensfeiern für homosexuelle Paare in katholischen Kirchen

Die Aktion "Liebe gewinnt" fand im Jahr 2021 zum ersten Mal statt. Unter dem Motto "Liebe gewinnt" waren alle Paare - ausdrücklich auch gleichgeschlechtliche - zu Segnungsgottesdiensten eingeladen.

Auf der Aktionsseite www.liebegewinnt.de konnten sich Gemeinden eintragen. Mit 110 Gottesdiensten reagierten Seelsorgende auf ein zuvor ergangenes Nein des Vatikan zur Segnung homosexueller Paare.

Homosexuelles Paar in einer Kapelle / © Harald Oppitz (KNA)
Homosexuelles Paar in einer Kapelle / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR