Es gibt ein Projekt, das Papst Franziskus mit besonderem Eifer vorantreibt: den personellen und strukturellen Umbau der Kirche in Spanien. Über Jahrzehnte hatte der konservative Hauptstadt-Kardinal Antonio Rouco Varela die Geschicke auf der Iberischen Halbinsel bestimmt.
Doch seine Ära ist Geschichte. Franziskus leitete kurz nach Beginn seiner Amtszeit einen Strategiewechsel ein: In Madrid installierte er 2014 mit Carlos Osoro Sierra einen neuen Erzbischof. Ein Jahr später vollzog er den nächsten wichtigen Einschnitt und ernannte Juan Jose Omella zum Oberhirten von Barcelona, der zweitgrößten Stadt des Landes.
Eingespieltes kirchenpolitisches Tandem
Inzwischen bilden die Kardinäle Osoro und Omella ein eingespieltes kirchenpolitisches Tandem, das vom Papst angestoßene Reformen mit Nachdruck vorantreibt. In den vergangenen Tagen sorgte vor allem das Erzbistum Barcelona für Schlagzeilen. Ende Mai veröffentlichte es ein Synthesepapier zur Bistumsphase der katholischen Weltsynode. Mit dem globalen Prozess, der im Oktober 2023 in Rom mündet, soll die Kirche fit gemacht werden für die Herausforderungen der Zukunft.
Tiefgreifender Wandel
Wenn man vom Inhalt des drei Seiten umfassenden katalanischen Positionspapiers ausgeht, könnte das Resultat ein tiefgreifender Wandel sein. Zwar haben sich von den rund zwei Millionen Katholiken Barcelonas gerade mal 7.000 Personen aktiv beteiligt. Die Resonanz ist dennoch beachtlich. Alle großen spanischen Tageszeitungen widmeten den Reformforderungen längere Artikel. Auch im Ausland blicken progressive Kirchenvertreter mit regem Interesse auf das, was sich in Spanien anbahnt.
Der unter Omellas Federführung erstellte Synodenbeitrag wirbt klar für eine Abkehr vom Pflichtzölibat und eine Öffnung des Priesteramtes für Frauen. Auch das Reizthema Homosexualität wird direkt angesprochen. "Es fehlt an Kohärenz zwischen dem, was gepredigt und getan wird", heißt es in dem Dokument. Einerseits solle man alle Menschen lieben; andererseits werde die Liebe zwischen Gleichgeschlechtlichen als etwas Schlechtes betrachtet. "Wir müssen die christliche Gemeinschaft zu einer echten 'Schule des Willkommens' machen", so das Fazit.
Mitarbeit am Text
An dem Text mitgearbeitet hat nicht zuletzt die Christliche Vereinigung der Lesben, Schwulen, Trans- und Bisexuellen Kataloniens (ACGIL). Die Gruppe versteht sich als "ökumenischer Treffpunkt für alle LGBT-Christen, die ihre Erfahrungen teilen, ihren Glauben und ihre Homosexualität natürlich leben und ein ganzheitliches Wachstum der Gemeinschaft fördern möchten". Ihre Anregungen fanden an mehreren Stellen Eingang ins Synthesepapier. Bei der Präsentation betonte Omella mehrfach, dass er die katholische Kirche inklusiver machen wolle. "Wir sitzen alle im selben Boot", sagte er mit Blick auf Synodenteilnehmer unterschiedlicher sexueller Orientierung.
Schlussversammlung der Synode in Spanien
Ob aus dem Vorstoß eine größere, vielleicht gar landesweite Initiative wird, könnte sich bereits am Samstag entscheiden. Dann findet in Madrid die Schlussversammlung der Synode in Spanien statt. Vertreter aller Diözesen werden versuchen, aus den gesammelten Vorschlägen einen gemeinsamen Text zu destillieren. Der wiederum ist als Beitrag für die "kontinentale Phase" der Weltsynode gedacht.
Schlüsselrolle für Kardinal aus Barcelona
Fest steht, dass dem Kardinal aus Barcelona eine Schlüsselrolle zukommt. Als Vorsitzender der nationalen Bischofskonferenz wird er am Wochenende nicht nur die synodale Schlussmesse leiten. Ihm obliegt es, die Versammlung so zu koordinieren, dass die Anliegen möglichst vieler Katholiken des Landes berücksichtigt werden. Freilich wird er dabei versuchen, den Forderungen aus seinem eigenen Bistum Gehör zu verschaffen.
Sollten diese in Madrid bestätigt werden, hätte Omella eine Art kirchliches Mandat, um auf europäischer Ebene für Spanien zu agieren. Hinzu kommt, dass er als Mitglied der Bischofskongregation großen Einfluss in der römischen Kurie hat. Die Reformbestrebungen des Papstes könnten so - ausgehend von Spanien - beträchtlich an Schwung gewinnen.