Historiker fordert Einsatz von Politik für Missbrauchsopfer

Vor Veröffentlichung der Münsteraner Missbrauchsstudie

Studienleiter Thomas Großbölting veröffentlicht am Montag zusammen mit der Forschungsgruppe der Universität Münster die Aufarbeitungsstudie. Inhalt ist der Umgang mit sexualisierter Gewalt durch Geistliche im Bistum Münster.

St. Paulus Dom in Münster, Westfahlen / © Henrik Dolle (shutterstock)
St. Paulus Dom in Münster, Westfahlen / © Henrik Dolle ( shutterstock )

Vor der Veröffentlichung einer Missbrauchsstudie im Bistum Münster fordert Studienleiter Thomas Großbölting mehr Einsatz der Politik für Betroffene. "Es wäre meines Erachtens gut, wenn sich die Politik, wie zum Beispiel in Irland, es sich zur Aufgabe machen würde, stärker in diesen Aufarbeitungsprozess einzugreifen", sagte der Historiker von der Universität Hamburg am Freitag dem WDR. Für die vielfältige Gruppe der Betroffenen sei es schwierig, ihre Positionen gegenüber einer Institution durchzusetzen, die seit 2.000 Jahren ihre Interessen vertrete. Betroffene hätten sich zu Anwälten ihrer eigenen Sache gemacht, "mit der Öffentlichkeit zusammen, aber mit wenig Unterstützung der Politik".

Zwischenergebnisse zeigten Versagen der Bistumsleiter

Forschende der Universität Münster legen am Montag unter Federführung der Historiker Großbölting und Klaus Große Kracht eine Aufarbeitungsstudie zu sexuellem Missbrauch durch Geistliche im Bistum Münster vor. Die Untersuchung behandelt auch die Frage, wie kirchliche Führungskräfte mit Missbrauchsfällen umgingen. Bereits Ende 2020 präsentierte das Forschungsteam Zwischenergebnisse. Demnach zeigten frühere Bistumsleiter, darunter auch Bischöfe, große Milde für Missbrauchstäter sowie "massives Leitungs- und Kontrollversagen".

Kritik zur Namenswahl von Abgeordneten-Kreis

Großbölting äußerte sich im WDR kritisch zur Namenswahl eines Kreises christlicher Bundestagsabgeordneter, die an Kardinal Joseph Höffner (1906-1987) - einen früheren Bischof von Münster - erinnert. Höffner sei seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. "Und das würde dann auch bedeuten, dass diejenigen, die heute den Kardinal-Höffner-Kreis betreiben, sich ernsthaft damit beschäftigen sollten, ob man den Namen nicht ablegt", so Großbölting. Die Gruppierung hatte eine Debatte über dieses Thema bereits angekündigt.

Das Bistum Münster hatte die Studie in Auftrag gegeben und den Forschenden zugleich Unabhängigkeit zugesichert. Anders als andere Diözesen entschied sich Münster gegen ein juristisch angelegtes Gutachten wie in Köln oder München, sondern beauftragte das Team aus vier Historikern und einer Ethnologin.

Missbrauchsgutachten im Bistum Münster wird für Juni erwartet

Die Historikerkommission der Universität Münster, die seit September 2019 den Umgang mit Missbrauchsfällen im Bistum Münster untersucht, wird voraussichtlich im Juni ihren Bericht vorlegen. Das kündigte Bischof Felix Genn nach Angaben des Bistums am Freitagabend auf der Sitzung des Diözesanrates an. Er betonte, dass die Kommission völlig unabhängig arbeite und "freien Zugang zu allen Akten hat, die sie einsehen will". Auch er selbst werde erst bei der Vorlage des Berichts die Ergebnisse der Untersuchung erfahren, sagte Genn.

Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA