Das Rote Kreuz schlägt Alarm: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie, hohe Temperaturen, Ferien, sowie ein hohes Reiseaufkommen sorgen seit Wochen für eine rückläufige Spendebereitschaft bei Blutspenden und mittlerweile für eine bundesweit kritische Versorgungslage.
Zugleich werden Operationen und Behandlungen nachgeholt, die während der Hochphase der Pandemie verschoben worden waren.
Notstand bei Blutspende vermeiden
"Ein Notstand muss unter allen Umständen vermieden werden", mahnt DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt am Montag in Berlin. Jeder dritte Bundesbürger sei statistisch gesehen mindestens einmal in seinem Leben auf ein Blutprodukt angewiesen, sagte sie aus Anlass des Weltblutspendetages am Dienstag. Zur Blutspende gingen aber lediglich 3,5 Prozent der Menschen in Deutschland.
70. Jahrestag der Blutspende
Gerade erst hat die systematische Blutspende in Deutschland ihren 70. Jahrestag gefeiert. Denn es war eine gewaltige Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosion auf der Zeche Dahlbusch in Gelsenkirchen, die dem lebensrettenden Dienst einen Schub gab. Bei dem Unglück im Mai 1950 starben 78 Bergleute. Blutkonserven für die Verletzten mussten eilends aus Frankreich beschafft werden, denn anders als in England, Österreich oder den Niederlanden standen in der Bundesrepublik keine ausreichenden Mengen an gespendetem Blut zur Verfügung. Bei Unglücksfällen wurde Blut meist von Person zu Person übertragen.
Blutspende systematisch ausbauen
Das musste sich ändern: Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) wurde von der Bundesregierung damit beauftragt, die Blutspende systematisch auszubauen. 1951 gründeten die DRK-Landesverbände Nordrhein und Westfalen den ersten DRK-Blutspendedienst in Deutschland. Im Februar 1952 fand der erste Blutspendetermin statt: in Gelsenkirchen. 95 Spender wurden registriert, viele davon Kumpel aus den umliegenden Zechen.
Dass der rote Saft Leben spenden könnte - damit hatte die Menschheit schon lange experimentiert. Eine erste Bluttransfusion soll Papst Innozenz VIII. erhalten haben. Als er 1492 im Sterben lag, soll ihm sein Leibarzt das Blut von drei Jungen eingeflößt haben, um seine Lebensgeister zu wecken. Innozenz VIII. trank das Blut der Jungen. Vergeblich.
Grundstein für moderne Transfusionsmedizin
Alchimisten und Ärzte experimentierten weiter, doch erst die Entdeckung der Blutgruppen durch den Wiener Arzt Karl Landsteiner in den Jahren 1901 und 1902 legte den Grundstein für die moderne Transfusionsmedizin. 1907 wurde die erste erfolgreiche, auf seinen Arbeiten basierende Bluttransfusion durchgeführt. Seit 2004 wird deshalb der Geburtstag Landsteiners am 14. Juni als Weltblutspendetag begangen.
Heute organisieren die sechs DRK-Blutspendedienste in Deutschland jährlich mehr als 40.000 Blutspendetermine. Das DRK deckt damit 75 Prozent der Blutversorgung in der Bundesrepublik ab. Täglich werden mehr als 15.000 Blutspenden benötigt.
Zahl der Spender rückläufig
Doch die Zahl der Spender ist seit einigen Jahren rückläufig, auch weil immer mehr potenzielle Kandidaten über der Altersgrenze liegen. Das Höchstalter für Erstspender liegt in der Regel bei 60 Jahren; regelmäßige Spenden sind für geübte Spenderinnen und Spender bis zum 68. Lebensjahr möglich.
2011 wurden pro 1.000 Einwohner noch 95 Spenden registriert; 2019 waren es lediglich 79 - ein Rückgang um 16,8 Prozent. In diesem Zeitraum sank die Gesamtzahl der Vollblutspenden von knapp fünf Millionen auf weniger als vier Millionen. Das reicht meist aus, allerdings kommt es immer wieder zu regionalen Engpässen, zum Beispiel in der Ferienzeit.
Bundesweites Monitoring
Bei Appellen an die Spendenbereitschaft der Bürger soll es allerdings nicht bleiben. Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) spricht sich für ein bundesweites Monitoring aus, um das regionale Spendenaufkommen und die Verfügbarkeit von Blutprodukten erfassen zu können. Mediziner und Wissenschaftler entwickeln zugleich Konzepte, die den Bedarf an Spenderblut verringern sollen. Zu den Maßnahmen gehören Blut sparende Operationstechniken, Medikamente und Eigenblutspende.
Auch die Attraktivität des Spendens soll erhöht werden: Das DRK setzt sich beispielsweise dafür ein, dass öffentliche Arbeitgeber das Blutspenden als Arbeitszeit anerkennen.