Über zwei Jahre hielt die Corona-Pandemie die Welt in Atem. Durch Maskenpflicht und Isolation konnte die Ausbreitung des Virus zwar zeitweise eingeschränkt werden. Doch dieser medizinisch positive Effekt hat auch bedenkliche Nebenwirkungen mit sich gebracht: Schon früh warnten Psychologen und Hilfsorganisationen vor einer gravierenden Verschärfung der Einsamkeit queer durch alle Bevölkerungsschichten.
Die Pandemie hat nochmals deutlich gemacht: Auch Einsamkeit ist eine Krankheit - und ein Politikum. In Großbritannien hat die Regierung schon 2018 - als Lockdowns noch Science-Fiktion und Corona lediglich eine Biermarke waren - eine bis dahin weltweit einzigartige Strategie vorgelegt, um das Phänomen Einsamkeit national bekämpfen zu können.
Ein Meilenstein war die Einrichtung eines Einsamkeitsministeriums, dessen vornehmliche Aufgabe der Aufbau eines Netzwerks aus Hilfsorganisationen, Psychologen, aber auch normalen Bürgern war, die ihre persönlichen Geschichten erzählen konnten. Einsamkeit sollte entstigmatisiert werden.
Die britische Initiative machte international Schule: Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise - und alarmiert durch eine besorgniserregende Zunahme von Suiziden - berief im Februar 2021 auch Japans Regierung einen eigenen Einsamkeitsminister.
Politische Relevanz des Themas länger bekannt
Auch in Deutschland ist die politische Relevanz des Themas seit längerem bekannt. Schon 2019 überschlugen sich die Forderung nach einer zentralen Stelle im Bund, praktisch alle Parteien reklamierten den Einfall für sich. Ein CDU-Vorstoß im Berliner Senat für einen Landesbeauftragten scheiterte jedoch.
Doch Corona mischte die Karten neu. Fast alle großen demokratischen Parteien haben Einsamkeit als relevantes Thema erfasst.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat nun eine Kampagne gestartet. Sie kündigte an, dass in dieser Legislaturperiode Strategien gegen Einsamkeit entwickelt werden sollen. Zunächst solle das Thema politisch und wissenschaftlich genauer betrachtet werden.
Es gehe um Vorbeugung und Bekämpfung von Einsamkeit. Zum Auftakt fand am Dienstag eine Konferenz mit Fachkräften aus der Sozialen Arbeit, aus Forschung sowie Wohlfahrtsverbänden statt.
Einsamkeit sei ein vielfältiges Phänomen, das viele Menschen betreffe, so Paus. "Häufig sind es die Älteren unter uns, deren Partner oder Partnerin gestorben ist, deren Freundeskreis kleiner wird oder die nicht mehr mobil genug sind, um das Haus zu verlassen." Aber auch viele jüngere Menschen kennten das Gefühl der Einsamkeit und litten darunter. Dies habe sich gerade während der Pandemie gezeigt.
Einrichtung einer zentralen Stelle?
Paus verwies auch auf bereits bestehende Maßnahmen für einsame Menschen wie etwa das Programm des Malteser Hilfsdienstes "Miteinander Füreinander", bei dem an rund 110 Standorten der katholischen Hilfsorganisation besonders hochbetagte Seniorinnen und Senioren erreicht werden sollen. Bundesweit gebe es zudem rund 530 öffentlich geförderte Mehrgenerationenhäuser, die helfen sollen, Isolation und Einsamkeit zu verhindern.
Könnte es nun doch zur Einrichtung einer zentralen Stelle kommen?
Wissenschaftler wie die Einsamkeits-Forscherin Susanne Bücker würden dies durchaus begrüßen: "Ich denke, dass die Einrichtung eines Einsamkeitsbeauftragten auf Bundesebene den Vorteil hätte, dass Einsamkeit öffentlich wirksamer diskutiert werden kann; dem Thema wird damit quasi eine Art Anschrift und Hausnummer gegeben", sagte Bücker der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Einsamkeitsbeauftragte könnte die politischen Entscheidungsträger an einen Tisch holen und sie dazu verpflichten, bei allen politischen Entscheidungen zu prüfen, inwiefern diese dem Ziel der Einsamkeitsprävention und -bekämpfung dienen könnten.
Allerdings müsse beachtet werden, dass Einsamkeit ein "Schnittstellen-Thema" sei, das ressortübergreifend gedacht werden muss, betont die Psychologin. Es betreffe also Gesundheitspolitik ebenso wie Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. "Es ist daher wichtig, dass die Einsamkeitsprävention und -bekämpfung und die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe für alle Menschen bei sehr vielen verschiedenen politischen Themen und Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden."