Im Februar lobte die südafrikanische Zeitung "Business Day" Thabo Mbeki als "treibende Kraft für Reform, gutes Verhalten und gesunden Menschenverstand" in der Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC). Was zu dem Zeitpunkt noch niemand ahnen konnte: Sein Nachfolger Cyril Ramaphosa sollte vier Monate später seine erste handfeste Regierungskrise durchleben. Rufe nach einem Rücktritt des 69-Jährigen wurden laut: Er soll Millionen gebunkert, einen Raubüberfall auf seine Farm vertuscht und das Schweigen der Diebe erkauft haben.
Umstrittener Ex-Präsident
In den vergangenen Monaten meldete sich Mbeki wiederholt zu Wort, um Missstände zu kritisieren. Aber: Eine Rückkehr aus dem Ruhestand, um den ANC und die Integrität von Südafrikas Regierung zu retten? Ein solches Szenario wünschen sich trotz aller Widrigkeiten wohl nur die wenigsten Südafrikaner. Viele erinnern sich an Mbekis von Fehltritten gezeichnete Amtszeit (1999-2008). Etwa im Kampf gegen HIV/Aids. Mbeki hatte die Ursachen der Krankheit geleugnet.
Für die Empfehlung seines Gesundheitsministeriums, wonach Erkrankte eine Diät aus Knoblauch, Zitrone, Roter Bete und Olivenöl einhalten sollten, erntete er weltweit Kritik. Studien gehen davon aus, dass Mbekis Aids-Politik 330.000 Tote und 171.000 Neuinfektionen forderte.
Während er Arbeitslosen, Rentnern und Waisen eine Rettungsleine zuwarf und Afrikas größtes Sozialhilfesystem aufstellte, versäumte Mbeki, Jobs zu schaffen und die Massen aus der Armut zu holen. Auch sein Versprechen von sauberem Leitungswasser für alle Südafrikaner bleibt bis heute unerfüllt.
Mehr Philosoph als Politiker
Intellektuell, elitär, mehr Philosoph als Politiker: Mbeki war das Gegenstück zu seinem Vorgänger, Staatsvater Nelson Mandela. "Mandela war so etwas wie ein Bürgermeister von Südafrika, zugänglich, ein Mensch des Volkes. Mbeki war distanzierter und wollte der Welt beweisen, dass schwarze Südafrikaner regieren können", befand der inzwischen gestorbene Theologe und Anti-Apartheid-Aktivist Alex Boraine.
Manche Historiker werfen Mbeki gar vor, durch seinen distanzierten Führungsstil die Weichen für die Korruptionsskandale der 2010er Jahre gestellt zu haben. 2007 verlor Mbeki die Wahl zum ANC-Präsidenten ausgerechnet gegen seinen zuvor entlassenen Stellvertreter Jacob Zuma. Kurz darauf rief die Partei Mbeki zurück; Zuma wurde Staatsoberhaupt.
Im Gegensatz zu Mbeki hatte Zuma keine Berührungsängste; weder wenn es darum ging, in traditioneller Zulu-Kluft zu tanzen, noch dabei, mit seinen Geschäftspartnern die Staatskasse zu plündern. Unter seiner Aufsicht soll der Fiskus um 15 Milliarden Euro geprellt worden sein. Ein Umstand, den auch Alt-Präsident Mbeki einsah. Er beklagte 2019: "Ich konnte niemandem offen und ehrlich sagen 'Bitte wählt den ANC'; denn ich sah, dass die Dinge schiefliefen."
Internationales Engagement
Mbekis größtes Vermächtnis bleiben sein glühender Panafrikanismus sowie sein internationales Engagement. So vermittelte er etwa zwischen Konfliktgegnern im Sudan, der Elfenbeinküste oder der Demokratischen Republik Kongo. In Simbabwe stellte er eine Regierung der nationalen Einheit auf die Beine. Zudem leitete er eine Untersuchungskommission über illegale Finanzflüsse; diese bremsen nach wie vor Afrikas Entwicklung.
Der Politologe Adekeye Adebajo nennt Mbeki in seiner Kurzbiografie den "wichtigsten afrikanischen Polit-Akteur seiner Generation".
Aktueller Einfluss
Daneben sei er eine "komplexe Persönlichkeit, voller Widersprüche und Paradoxe: ein Kind vom Land, das ein urbaner Denker wurde; ein Prophet afrikanischer Renaissance und zugleich Englandfreund; ein engagierter junger Marxist, der während seiner Amtszeit einen konservativen Wirtschaftskurs bevorzugte und weiße Unternehmensinteressen schützte...".
Doch kann und sollte Mbeki mithelfen, den ANC zu retten und Südafrika zu stabilisieren? Laut dem Journalisten Peter Bruce hat der Altpräsident die "höchste Gefahr" erkannt, in dem das Schwellenland wirtschaftlich und sozial stecke. Und habe mit 80 Jahren durchaus noch etwas zum Scheinen der Regenbogennation beizutragen: "Er ist eine alte Seele, die jetzt das Richtige tut", meint Bruce.