DOMRADIO.DE: In welchen Ihrer Seminare waren denn die vier Diakone bei Ihnen?
Prof. Jochen Sautermeister (Professor für Moraltheologie und Dekan der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn): Die in Bonn studiert haben, waren bei mir in den Kursen der Moraltheologie. Das umfasst das Themenspektrum Lebens-, Medizin-, Beziehungs- aber auch Sexualethik und grundlegende Fragen der theologischen Ethik, wie: Was bedeuten Gewissen, Schuld, Verantwortung, Normen?
DOMRADIO.DE: Was gehört sonst noch zu einer Priesterausbildung dazu?
Sautermeister: Die Priesterausbildung besteht aus drei Säulen: Erstens das Studium, das ist die professionelle Ausbildung während des Theologiestudiums, aber auch die Fähigkeiten, die man braucht, um gut vorbereitet zu sein für die Aufgaben, die später kommen.
Das Zweite ist die Persönlichkeitsbildung: Hier geht es um Integrität, um eine reife Persönlichkeit, um integrierte Sexualität, um den Umgang mit Macht und die Fähigkeit, sich selbst führen zu können, aber auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und mit den eigenen Verletzungen.
Drittens die Spiritualität, dass Glaube und Reflexion mit dem Leben verbunden sind, zusammengehen und nicht getrennte Welten sind.
DOMRADIO.DE: Wie beurteilen Sie die Priesterausbildung, wie sie zurzeit in Köln, Bonn und in anderen Städten gestaltet ist? Ist sie praxisnah und so nah bei den Menschen, wie sich das viele wünschen?
Sautermeister: Neben der allgemeinen Ordnung für die Priesterausbildung ist sie in den Diözesen ja zum Teil sehr verschieden. Die Deutsche Bischofskonferenz und viele Diözesen haben sich darauf geeinigt, die Priesterausbildung während des Studiums auf wenige Orte zu konzentrieren. Hier im Erzbistum Köln verfolgen wir ein anderes Konzept.
Wir wollen die Regionalität stärken, einerseits im Seminar, aber auch in Wohngemeinschaften der Studierenden. Das neue Konzept des Kölner Regens Regamy Thillainathan sieht ja auch vor, dass neben der Persönlichkeitsbildung auch die soziale Dimension, das soziale Engagement und die Verantwortung weiter im Rahmen der Priesterausbildung gestärkt werden sollen.
DOMRADIO.DE: Was kann man verbessern?
Sautermeister: Ich glaube, die ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit ist ein ganz wichtiger Punkt. Mit dem neuen Konzept ist hier ein wichtiger Impuls gesetzt, gleichwohl ist im Bereich der Priesterausbildung noch Luft nach oben. Ich freue mich zu sehen, was sich hier entwickelt, auch im Bereich des sozialen Engagements.
Meines Erachtens sind dabei zwei Dinge wichtig: Erstens, dass theologisch nicht über Köpfe hinweg geredet wird, mit Formeln und Floskeln, die fern der Lebensrealität sind.
Zweitens, dass es nicht eine naive Wohlfühl-Spiritualität fürs Herz ist, die die Krisen und Schattenseiten des Lebens ausblendet. Es geht um eine Spiritualität, die mitten im Leben verankert ist. Ich glaube, wenn auch hier die Theologie eine Aufgabe hat in der Priesterausbildung – dann trägt sie dazu bei, dass Priester später glaubwürdig, kompetent und verantwortlich in Kirche und Gesellschaft wirken können.
DOMRADIO.DE: Wie traurig ist das für Sie, dass nur vier Diakone zu Priestern geweiht werden?
Sautermeister: Ich freue mich über alle Vier. Zur Zeit meines Studiums waren es 12 bis 15 Diakone, die zu Priestern geweiht wurden. Ich komme aus einer anderen Diözese. Vier ist heute vergleichsweise immer noch relativ viel, aber natürlich zu wenig.
Aus meiner Sicht stellen sich da viele Fragen: Was ist heute nötig, damit es möglich ist, eine Berufung zum Priester leben zu können? Was heißt Berufung zum Priester? Ich glaube, wir stehen in der Kirche vor großen Herausforderungen. Es zeigt sich eben auch: Priester sein im 21. Jahrhundert ist nicht einfach.
DOMRADIO.DE: Warum sollen sich junge Männer oder auch junge Frauen ausgerechnet für diesen Beruf entscheiden?
Sautermeister: Das Beeindruckende bei einem pastoralen Beruf und eben auch des Priesters ist, dass man die Frage nach dem Lebenssinn zu seinem Dienst und zu seiner Aufgabe machen kann. Aus welchen Quellen lebe ich? Wofür bin ich da? Was macht mein Leben aus? Wie kann ich dazu beitragen, dass die lebensbejahende Botschaft Gottes erfahrbar wird?
Sich mit diesen Fragen beschäftigen zu dürfen, mit Menschen durch das Leben zu gehen, Gottes Spuren zu entdecken, im Engagement mit anderen, ist faszinierend. Das bedeutet auch: Aus dem Glauben leben zu können, zu hören, was Menschen bewegt, ihnen begegnen zu können, mit ihnen auf dem Weg durchs Leben zu gehen und selber sich als Teil davon zu sehen.
Das in den Vordergrund zu stellen und auch die Bedingungen in unserer Kirche, in unserem Bistum zu schaffen, dass das auch geht, das finde ich ganz entscheidend.
Das Interview führte Martin Mölder.