Genn gegen Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen

"Krieg gegen das Leben"

Münsters Bischof Felix Genn hat die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen und die geplante Neuregelung zur Suizidbeihilfe kritisiert. Er ging auch auf die Fälle sexualisierter Gewalt durch Priester ein.

Bischof Felix Genn / © Guido Kirchner (dpa)
Bischof Felix Genn / © Guido Kirchner ( dpa )

"Wir dürfen die Menschen am Anfang und am Ende des Lebens nicht schutzlos lassen, sie sind auf uns angewiesen, wir dürfen dieses Sterben nicht hinnehmen und müssen dagegen aufschreien", sagte er am Sonntag bei einem Gottesdienst im Dom zu Münster.

"Mit unserer Position stellen wir uns nicht gegen Frauen oder gegen Menschen am Ende ihres Lebens." Für Christen sei aber der "Wert jedes menschlichen Lebens" nicht verhandelbar. 

Eine Schwangere mit einem Ultraschallbild / © Julia Steinbrecht (shutterstock)
Eine Schwangere mit einem Ultraschallbild / © Julia Steinbrecht ( shutterstock )

Nach den Worten von Genn machen sich Frauen die Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung nicht leicht. Auch heute befänden sich Betroffene noch immer in grausamen Zwangslagen. Oft würden sie von Männern im Stich gelassen oder es werde ihnen Gewalt angetan.

Aber es sei keine Lösung, "menschliches Leben gegen ein anderes menschliches Leben aufzuwiegen". Es komme darauf an, sich für die Frauen und die ungeborenen Kinder zu engagieren. Er dankte dem Sozialdienst Katholischer Frauen, der hier großartige Arbeit leiste.

"Missbrauch hat Leben zerstört"

In seiner Predigt zur traditionellen "Großen Prozession" ging Genn auch auf die Fälle sexualisierter Gewalt durch Priester ein. "Was wir beim sexuellen Missbrauch wahrnehmen müssen, ist tatsächlich auch ein Krieg gegen das Leben, gegen das Leben junger Menschen", sagte der Bischof. "Sexueller Missbrauch hat den Frieden zerstört, hat Leben zerstört."

Sterbehilfe und Werbung für Abtreibungen in der Politik

Der Bundestag hatte Ende Juni die Streichung des Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch beschlossen. Der Gesetzentwurf der Regierung will sicherstellen, dass Ärztinnen und Ärzte künftig nicht länger mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen müssen, wenn sie sachliche Informationen über Ablauf und Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs bereitstellen. Zudem sollen betroffene Frauen leichter Zugang zu sachgerechten Informationen erhalten.

Oberstes US-Gericht öffnet Weg für Abtreibungsverbote

Das oberste Gericht der USA ermöglichte den Bundesstaaten mit einem Urteil von Juni 2022 ein Verbot von Abtreibungen. Die Richter in Washington hoben das Grundsatzurteil "Roe vs. Wade" auf, das im Jahr 1973 Abtreibungen zur Privatsache erklärte. Bisher hatte das Gericht demnach Abbrüche bis zur 24. Schwangerschaftswoche für rechtmäßig erklärt.

Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP (dpa)
Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP ( dpa )

Das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe hatte das Bundesverfassungsgericht Anfang 2020 gekippt und ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben formuliert. Ein neues Gesetz, das ein von den Richtern vorgeschlagenes Schutz- und Beratungskonzept ermöglicht, steht noch aus. Mitte Mai gab es dazu eine Orientierungsdebatte im Bundestag. Nach der Sommerpause soll es Anhörungen geben; im Oktober könnte eine Entscheidung fallen.

Alternativen zur Sterbehilfe

Wie steht die Kirche zur Sterbehilfe?

Die Kirche lehnt die organisierte oder kommerzielle Beihilfe zum Suizid sowie den ärztlich assistierten Suizid ab, weil sie es seit jeher als ihr Selbstverständnis betrachtet, das Leben von seinem Beginn an bis zu seinem Ende hin zu schützen.

Welche Alternativen sieht die Kirche zur Sterbehilfe?

Symbolbild Pflege / © Robert Kneschke (shutterstock)

"Bei Solidarität mit Ukraine nicht nachlassen"

Angesichts der Folgen des Ukraine-Kriegs rief Genn zu Zusammenhalt und Verzicht auf. Er dankte für die "große Bewegung der Solidarität mit den Geflüchteten" und der damit verbundenen Bereitschaft zu Einschränkungen. Zugleich bekundete er die Hoffnung, dass dieser Zusammenhalt weiter noch andauern werde, wenn alle Menschen auch in Deutschland die Folgen des Krieges noch stärker spüren würden.

Lokale Beamte stehen vor einem beschädigten Wohnhaus in Serhijiwka, etwa 50 Kilometer südwestlich von Odessa / ©  Maxim Penko/AP (dpa)
Lokale Beamte stehen vor einem beschädigten Wohnhaus in Serhijiwka, etwa 50 Kilometer südwestlich von Odessa / © Maxim Penko/AP ( dpa )

"Ohne Verzicht werden wir weder den Herbst bestehen noch für die Bewahrung der Schöpfung etwas Nachhaltiges bewirken können", sagte Genn. Grundsätzlich sei mehr Sensibilität für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung erforderlich. Angesichts einer drohenden Gas-Knappheit ruft die Politik zum Einsparen von Energie auf.

Zusammen verzichten

"Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine darf nicht gegen eine Solidarität mit den Armen und Schwachen in unserer Gesellschaft ausgespielt werden", sagte der Bischof. Er warb dafür, dass jeder Einzelne in seinem Umfeld bereit sein müsse, "zu verzichten und sich einzuschränken". Für ihn als Bischof sei dies vielleicht leichter gesagt als für viele andere, die sich ohnehin schon in einer schwierigen sozialen Situation befinden. "Aber wir müssen zusammenstehen."

"Auch, wenn es heute fast aussichtslos erscheint: Das Volk der Ukraine hat den Anspruch auf einen gerechten Frieden", führte Genn weiter aus. Ein Friede, bei dem der Sieger die Bedingungen diktieren würde, berge in sich Keime des Unfriedens, neuer Gewalt, neuen Terrors und neuen Krieges. "Das wäre kein wirklicher Friede", so der Bischof.

Gottesdienst zur "Großen Prozession" in Münster

Er äußerte sich bei einem Gottesdienst zur traditionellen "Großen Prozession" in Münster, die nach zweijähriger coronabedingter Unterbrechung wieder stattfand. Dabei wirkte besonders die ukrainische Gemeinde mit.

Die 1383 begründete "Große Prozession" geht auf ein Gelübde von Kirche und Bürgerschaft zurück. Damals gab es in Münster eine Pestkatastrophe mit rund 8.000 Toten und einem Großbrand, der große Teile der Stadt verwüstete. Bedeutenden Zulauf hatte die Prozession in der NS-Zeit, als sie zur Demonstration für den Glauben wurde. Damals nahmen regelmäßig fast 20.000 Menschen teil. Der Prozession vorausgetragen wird eine Nachbildung des historischen Pestkreuzes, dessen Original im Stephanschor des Doms hängt.

Quelle:
KNA