Samstagvormittag in Ellwangen: Von der Basilika Sankt Vitus erschallt das volle Glockengeläut, die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel, und die Bürgergarde der Stadt marschiert mit Fahnen und Musikchor auf den Platz vor der Kirche.
Eine Seligsprechung ist angesagt. Vollzogen wird sie im Auftrag von Papst Franziskus vom Luxemburger Kardinal und Vorsitzenden der EU-Bischofskommission COMECE, Kardinal Jean-Claude Hollerich. Mehrere tausend Christen sind gekommen.
Geehrt wird mit dem feierlichen Open-Air-Gottesdienst der Jesuit und Volksmissionar Philipp Jeningen (1642-1704) - eine Person, die außerhalb der Region Ellwangen wenig bekannt ist, in der Stadt an der Jagst und darum herum aber eine umso stärkere Verehrung erfährt. Sein Grab in der Basilika wird bis heute mit Blumen und Kerzen geschmückt.
Ganz normaler Jesuit?
Im Volksmund heißt Jeningen "der gute Pater Philipp". "Er tat das Gewöhnliche mit außergewöhnlicher Hingabe", erklärt der Ulmer Jeningen-Experte, der Theologe Wolfgang Steffel, das Phänomen. Der "letztlich ganz normale Jesuit" stehe bis heute "für das Bild vom guten Menschen".
Ellwangen, die 25.000-Einwohner-Stadt im Ostalbkreis, ist seit jeher immer etwas dazwischen, nur gut zehn Kilometer von der Grenze zum Bundesland Bayern und dessen Regierungsbezirken Mittelfranken und Schwaben entfernt. Die Geschichte der Stadt ist über die Jahrhunderte stark durch die katholische Kirche geprägt worden.
Das wirkt bis heute nach: In der schmucken Altstadt präsentieren Fotoläden und Optiker, ein Friseur und eine Apotheke, eine Eisdiele und ein Bäcker, aber auch Mode- und Deko-Geschäfte in ihren Schaufenstern bunte Kinderbilder. Gemalt von Ellwanger Grundschülern, die sich mit "dem guten Pater Philipp" beschäftigt haben.
Fürst: Glücklicher Tag für Ellwangen, die Diözese und weit darüber hinaus
Manche Gottesdienstbesucher vom dreijährigen Andreas bis zu Erwachsenen sind mit T-Shirts gekommen, die Jeningen darstellen. Auch der säkulare Staat beteiligt sich, zeigt an städtischen Gebäuden und der Volkshochschule die Kinderkunst. Landrat und Oberbürgermeister zeigen ebenfalls keine Berührungsangst vor dem Religiösen und sprechen in den Minuten vor dem Gottesdienst auf dem Marktplatz über die Person Jeningen.
Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst, der das Seligsprechungsverfahren seit Jahren forciert hat, sprach "von einem glücklichen Tag für Ellwangen, die Diözese und weit darüber hinaus".
Gekommen waren auch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke und der Augsburger Bischof Bertram Meier. Denn Jeningen stammt aus Eichstätt, und zu seinen Lebzeiten gehörte Ellwangen zum Bistum Augsburg.
Der eigentliche Seligsprechungsakt fand am Beginn des Gottesdienstes statt: Fürst bat formell beim Papst um die Seligsprechung. Nach dem Verlesen eines biografischen Textes über Jeningen trug Hollerich das päpstliche Schreiben in lateinischer Sprache vor. Danach wurde unter Applaus an der Basilika ein rund 20 Quadratmeter großes Bild des Seligen enthüllt. Anschließend gab es eine Prozession zu Jeningens Grab in der Basilika. Hollerich ehrte die letzte Ruhestätte mit Weihwasser und Weihrauch.
Den Seligsprechungsprozess hatten Jeningens Orden, das Bistum Rottenburg-Stuttgart und die Bischofskonferenz 1920 beantragt. Der Vatikan stellte 1989 den für eine Seligsprechung nötigen "heroischen Tugendgrad" fest. Eine medizinisch nicht erklärbare Heilung aus den 1980er Jahren wurde in Rom als Wunder anerkannt, das Jeningens Fürsprache zugeschrieben wird. Der Gesundete war auch gekommen, will aber nicht öffentlich auftreten.
Auch der Generalobere des weltweiten Jesuitenordens, Arturo Sosa, würdigte den deutschen Volksmissionar. Jeningen habe durch sein Wirken "die Liebe Gottes sichtbar" gemacht, was Gläubige auch heute inspiriere, erklärte der aus Venezuela stammende Ordensgeneral in einem Schreiben.
"Durch einfaches Predigen, einen überzeugenden Lebensstil und Herzensgüte spürten die Menschen, dass er an das glaubte, was er sagte, und - was vielleicht noch wichtiger war - dass er nichts von ihnen verlangte, was er nicht selbst zu tun bereit war und in überreichem Maße tat", so Sosa weiter. Jeningen sei ein "unermüdlicher" Volksmissionar gewesen.
Gemeinsames Mittagessen
Jeningen hatte sich in den Jahren nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) um Bauern gesorgt, spendete Sakramente und pflegte einen asketischen Lebensstil. Hollerich würdigte in seiner Ansprache Jeningens Verbindung von Gottes- und Menschenliebe. Als Beispiele für das heutige Leben nannte der Kardinal das Engagement für die Schöpfung, die Aufnahme von Flüchtenden und den Einsatz für den Frieden. Es gehe darum, wie Jeningen "Gott in allen Dingen des Lebens zu finden".
Was in Ellwangen volksfestartig begann, das muss auch volksfestartig enden: Am Schluss des Gottesdienst waren alle Mitfeiernden zum gemeinsamen Mittagessen eingeladen. Neben Getränken gab es etwa Pizza, Hamburger und Leberkäsbrötchen. Gewöhnlich und außergewöhnlich zugleich.