Wie der Klimawandel Kirchenorgeln beeinflusst

Im schlimmsten Fall reißt das Holz

Der Klimawandel führt immer öfter zu heißen und trockenen Sommern. Für Kirchenorgeln kann diese Witterung problematisch werden. Woran liegt das und was kann man dagegen tun?

Symbolbild: Kirchenorgel / © LENS-68 (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Es wird immer heißer und trockener. Bedeutet das für Sie auch mehr Arbeit, weil dann die Orgeln verstimmt sind?

Michael Schuke (Orgelbaumeister aus Werder bei Potsdam): Orgeln werden grundsätzlich regelmäßig gestimmt. Da kann man auch sagen, dass die jetzt nicht irgedwie häufiger durch die Wärme oder Hitze gestimmt werden. Die meisten Kirchengemeinden haben einen Orgel-Pflege-Vertrag. Das heißt, dass wir dann jährlich an der Orgel sind, eine technische Überprüfung machen und dann einmal stimmen. Es ist jetzt nicht so, dass man außergewöhnlich viel mehr stimmen muss.

Orgelbaumeister Michael Schuke / © Schuke
Orgelbaumeister Michael Schuke / © Schuke

DOMRADIO.DE: Aber welchen Einfluss hat ein so verändertes Klima, so eine Hitzewelle auf Orgeln?

Schuke: Das betrifft die Holzteile, die austrocknen und dann schwinden. Und da kann es Probleme geben, dass das Holz dann im schlimmsten Fall sogar reißt. Wir hatten vor zwei, drei Jahren ja auch schon mal so eine ganz große Hitzewelle. Und da ist es tatsächlich passiert, dass einige Orgeln, die wir betreuen, danach auch nicht mehr richtig funktioniert haben, dass wirklich Teile, die Windladen und Pfeifen, gerissen sind, die wir dann restaurieren mussten.

DOMRADIO.DE: Gibt es da Orgeln, die empfindlicher sind als andere?

Schuke: Ja, das kann man so sagen. Es gibt Orgeln, da funktioniert die Verbindung zwischen Taste und dem Ventil, wo die Pfeife den Wind bekommt, mechanisch. Und dann gibt es noch andere Orgeln, da funktioniert es pneumatisch. Bei der Pneumatik funktioniert alles mit Winddruck. Und wenn da irgendwo mal ein Riss ist oder das Holz wegtrocknet und da der Wind abpfeift, dann entsteht bei einer pneumatischen Orgel entweder ein Heuler, also dass ein Ton dauerhaft kommt, obwohl man gar keine Taste drückt. Oder der Ton kommt gar nicht erst. Und das merkt man natürlich dann relativ schnell.

DOMRADIO.DE: Kann man dann was dagegen machen in der Gemeinde, gibt es irgendeinen Hitzeschutz für die Orgel?

Schuke: Das ist nicht ganz so einfach. Bei den pneumatischen Instrumenten kann man vielleicht die Schrauben anziehen, dann wird vielleicht irgendwas dicht. Aber in den meisten Fällen ist es so, dass man eigentlich nichts sofort machen sollte, denn man müsste groß restaurieren oder die Orgel halb auseinander bauen. Wir hatten das jetzt so gemacht, dass wir der Gemeinde gesagt haben: Bewahren Sie erst mal Ruhe, lassen Sie mal das Klima sich ein bisschen wieder regulieren, bis es wieder etwas kälter wird, bis sich das in der Kirche wieder akklimatisiert.

Und dann schauen wir uns nochmal an, ob das Holz wieder ein bisschen quillt und ob die Schlitze wieder dicht sind. Das hat jetzt bei einigen Orgeln geklappt, wo wir nochmal nach ein paar Monaten gekommen sind und dann war es schon wieder besser. Und da kann man eigentlich sagen, die Orgeln sind schon relativ robust. Das Hauptproblem ist, wenn das so kurzfristig und so schnell passiert, wenn es ganz heiß oder ganz kalt wird, dann arbeitet das Holz so schnell, dass es zu Fehlern kommt.

DOMRADIO.DE: Ein Kühlsystem da einbauen oder die Orgeln mit Wasser besprühen oder so was, das ist keine Option?

Schuke: Da sollte man sehr vorsichtig sein. Es gibt natürlich ganz professionelle Systeme, zum Beispiel in Konzertsälen, die haben oft eine Befeuchtungsanlage. Das funktioniert ganz gut. Aber in der Kirche ist das natürlich ein recht schwierig. Da hat man teilweise einen sehr großen Raum und eine ganze Kirche zu befeuchten. Das ist sehr schwierig. Da müsste man mit sehr viel Wasser und Luftfeuchtigkeit arbeiten. Und dann könnte schon wieder das nächste Problem auftreten, wenn zu viel Feuchtigkeit da ist, dass es dann anfängt zu schimmeln. Das ist ein ganz heikles Thema, wo man wirklich den Einzelfall betrachten und dann überlegen muss, was an der Stelle sinnvoll ist.

DOMRADIO.DE: Ist denn für die Orgelbauer auch der Klimawandel ein Thema? Baut man heute schon Orgeln mit Blick auf das Klima anders als früher?

Schuke: Die Orgeln halten eigentlich relativ viel aus. Wir haben zum Beispiel auch Orgeln in Mittelamerika, wo es ja dauerhaft warm ist. Und wenn sich das Holz erst mal akklimatisiert hat, dann ist es kein großes Problem. Das Problem ist wie gesagt die schnelle Änderung, die wir hier in Deutschland teilweise haben, wenn es mal so ein ganz heißer Sommer ist. Und da muss man dann eben auch die Bauweise berücksichtigen. Wie baut man was, mit welchen Holzverbindungen oder wie werden die Pfeifen gebaut? Da gibt es so ein paar kleine Tricks, die man anwenden kann.

Bei bestimmten Sachen kann man auch Plattenwerkstoffe, die mehrfach querverleimt sind, für bestimmte Teile benutzen, dass das Holz sich an der Stelle eben nicht bewegt. Zum Beispiel bei der Tontraktur, also der Steuerung von der Taste bis zum Ventil. Wenn man das aus Massivholz baut und sich da was bewegt, dann sind die Tasten reguliert und da kann man schauen, ob man dann so einen Plattenwerkstoff benutzt, der in mehreren Schichten quer und längs verleimt ist. Und sowas kann man dann heute benutzen.

DOMRADIO.DE: Aber die Materialien bleiben die gleichen wie früher?

Schuke: Genau richtig. Grundsätzlich natürlich alles Holz. Und wie gesagt, wir haben heute moderne Plattenwerkstoffe.

Das Interview führte Florian Helbig.

Quelle:
DR