DOMRADIO.DE: Ihre Mitarbeitenden sind per Streetwork-Bus, zu Fuß und mit dem Fahrrad in Düsseldorf unterwegs. 160 Klientinnen und Klienten versorgen sie pro Woche im Schnitt mit Kaffee und warmem Essen. Wer sucht denn in welchen Situationen Ihre Hilfe als Seelsorger?
Diakon Klaus Kehrbusch (Vorstandsvorsitzender Verein Flingern mobil e.V.): Wir erreichen drogengebrauchende Obdachlose, die sich im näheren Umfeld des Hauptbahnhofs befinden. Wir sind hier eine szenenahe Kirchengemeinde und Flingern mobil ist unser Caritas-Verein. Wir erreichen also genau die Leute hier vor unserer Haustüre, die sich hier, wo wir Kirchengemeinde sind, auch bewegen und aufhalten.
DOMRADIO.DE: Und Sie erreichen die dann oder kommen die zu Ihnen?
Kehrbusch: Sowohl als auch. Unsere Mitarbeitenden gehen raus und fahren raus. Wir haben aber umgekehrt auch eine niedrigschwellige Einrichtung, ein Streetwork-Café, wo die Klientinnen und Klienten hinkommen können. Die praktischen Hilfen sind da wichtige Überlebenshilfen.
Daneben geht es aber natürlich auch um Beziehungsaufbau, darum, dass Kontakt und Vertrauen entstehen. Denn wir wollen ja nicht einen Dauerservice auf der Straße bieten, sondern helfen und fördern, dass Leute Möglichkeiten ergreifen, ihre Lebenssituation anders zu gestalten.
DOMRADIO.DE: Gibt es einen Menschen, an den Sie sich besonders erinnern?
Kehrbusch: Es gibt so viele. Da habe ich mehrere Bilder im Kopf. So wie auch bei uns die Lebensgeschichten unterschiedlich sind, genau so ist das auch bei unseren Klientinnen und Klienten.
Ich denke jetzt an eine Klientin, die nach ganz langer Zeit den Weg heraus geschafft hat und im Moment auch stabil ist. Es war gelungen, ihr eine Wohnung zu vermitteln und sie da zu betreuen. Sie hat eine geförderte Beschäftigung aufgenommen. Solche Fälle sind aber schon Highlights, da brauchen unsere Kolleginnen und Kollegen einen langen Atem. Geduld gehört nicht zu meinen Stärken, aber in dem Arbeitsfeld braucht man sie.
DOMRADIO.DE: Diesen Gedenktag gibt es schon seit den 1990er Jahren. Was hat sich denn alles in den letzten Jahrzehnten in der Arbeit der Drogenhilfe verändert?
Kehrbusch: Ich beantworte die Frage aus unserer Perspektive heraus, die wir hier im Hauptbahnhofs-Umfeld sehen und erleben. Da ist meine Wahrnehmung über die lange Zeit so, dass die Drogenszene, insbesondere auch soweit sie mit Prostitution zur Finanzierung verbunden ist, heute weniger öffentlich sichtbar ist, als das vor 20 Jahren der Fall war. Das spielt sich mehr im Halbverborgenen oder im Halbdunkelfeld ab. Viel Kontakt-Anbahnung läuft inzwischen über Social Media. Das hat sich spürbar verändert.
Was sich nicht wirklich verändert hat, ist die Präsenz der Leute, die da sind. Das ist in einer großen Stadt eben so im Umfeld des Hauptbahnhofs. Das hat sich auch über die lange Zeit nicht wirklich verändert.
Verändert hat sich ein bisschen das Hilfeangebot. Tendenziell nehme ich wahr, dass Menschen, die an den direkten oder indirekten Folgen ihres Drogengebrauchs sterben, über die Jahre eher älter werden. Das ist für mich auch ein Erfolg des Drogenhilfe-Systems, das auch in Düsseldorf gut aufgestellt ist.
DOMRADIO.DE: An diesem Gedenktag wird auch mit einem ökumenischen Gottesdienst an die Drogentoten, an die Helfer, Angehörige gedacht. Warum ist so ein Gottesdienst wichtig?
Kehrbusch: Oft ist es so, dass Angehörige und Freunde von dem Tod erst erfahren, wenn die Beerdigung schon stattgefunden hat, weil die Kommunikationswege so sind, weil kein regelmäßiger Kontakt mehr da ist.
Dann ist der Gedenktag noch mal ein guter Ort für Trauer. Das ist eine gute Tradition, dass die evangelische und katholische Kirche in der Stadt Düsseldorf zusammen mit den Drogenhilfe-Einrichtungen, mit der Aidshilfe, dem Verein Düsseldorfer Drogenhilfe, Caritasverband, Diakonie und SkFM und Flingern mobil seit vielen Jahren gemeinsam diese Trauerfeier gestalten, an der dann Freundinnen und Freunde und Angehörige der Verstorbenen teilnehmen, aber auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter aus den Einrichtungen.
Das Interview führte Florian Helbig.