Der Zustand des am Freitag bei einem Angriff in den USA schwer verletzten Autors Salman Rushdie ist offenbar ernst. "Die Nachrichten sind nicht gut", sagte sein Agent Andrew Wylie am Freitag (Ortszeit) nach Angaben der "New York Times". Rushdie werde aufgrund der Attacke bei einer Lesung im US-Bundesstaat New York vermutlich ein Auge verlieren, "die Nerven seines Arms wurden durchtrennt, und seine Leber wurde durch einen Stich getroffen und beschädigt". Den Informationen nach wurde der 75-jährige Rushdie an ein Beatmungsgerät angeschlossen.
Ein Mann hatte den britisch-indischen Schriftsteller, der wegen seines Romans "Die satanischen Verse" seit 1989 von Islamisten mit dem Tod bedroht wird, laut Augenzeugen auf einer Bühne in der Stadt
Chautauqua im Westen New Yorks angegriffen und auf ihn eingestochen. Der Autor wurde danach in ein Krankenhaus geflogen.
Veranstaltungsort kaum gesichert
Der 24 Jahre alte Verdächtige wurde zunächst von Gästen der Veranstaltung überwältigt und von anwesender Polizei festgenommen. Bei dem Mann aus New Jersey soll es sich Medienberichten zufolge um einen Sympathisanten des iranischen Regimes handeln. Sie berufen sich dabei vor allem auf Informationen über den Social-Media-Account des Mannes. Augenzeugen berichteten US-Medien, der Veranstaltungsort sei kaum gesichert gewesen. Vor dem Saal habe es keine Sicherheitsüberprüfung oder Metalldetektoren gegeben.
In den USA und weltweit löste der Anschlag Entsetzen aus. Die Gouverneurin von New York, Kathy Hochul, erklärte, Rushdie habe trotz der Drohungen, die ihn beinahe sein ganzes Erwachsenenleben hindurch begleitet hätten, stets unerschrocken für die Wahrheit eingestanden.
Kämpfer für die Freiheit des Wortes
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte Rushdie einen großen und mutigen Kämpfer für die Freiheit des Wortes und der Kunst. "Für diese schreckliche Bluttat tragen auch die Verantwortung, die Salman Rushdie seit Jahrzehnten verfolgt und mit dem Tod bedroht haben", sagte Faeser der "Bild am Sonntag".
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sprach von einem Angriff auf die Freiheit der Literatur und des Denkens. Es klebe nicht nur Blut an den Händen des Attentäters, so Roth, "sondern auch und ganz besonders an denen des iranischen Regimes, das bis heute an der schrecklichen Fatwa gegen ihn festhält".
Drastische Erinnerung
Auch die jüdische Organisation American Jewish Committee (AJC) zog eine Verbindung zur Fatwa des iranischen Religionsführers Ayatollah Khomeini gegen Rushdie aus dem Jahr 1989. Das Attentat sei eine drastische Erinnerung daran, dass das Todesurteil vom iranischen Regime nie zurückgenommen worden sei, schrieb das AJC auf Twitter.
Rushdie, 1947 kurz vor der indischen Unabhängigkeit in Mumbai (damals Bombay) in eine muslimische Familie geboren, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern der Gegenwart. 1989 sprach Ayatollah Khomeini seine Todes-Fatwa gegen Rushdie wegen dessen im Jahr zuvor erschienenen Buchs "Die satanischen Verse" aus. Begründet wurde der islamische Richtspruch damit, das Buch sei "gegen den Islam, den Propheten und den Koran" gerichtet. Erst seit einigen Jahren trat Rushdie wieder öffentlich auf, nachdem er lange Zeit unter Polizeischutz in verschiedenen Verstecken gelebt hatte.
Rund zwei Wochen vor dem Attentat am Freitag sagte Rushdie dem Magazin "Stern": "So eine Fatwa ist eine ernste Sache. Aber das ist lange her." Man müsse gegen Gefahren tun, was möglich sei. Doch was sein eigenes Leben betreffe, schaue er doch lieber nach vorn: "Ja, ich bin ein Optimist."