DOMRADIO.DE: Mit welchem Ziel sind Sie nach Brasilien gereist?
Nadim Ammann (Diözesanstellenleiter Weltkirche im Erzbistum Köln / Weltmission): Ich war tatsächlich noch gar nicht auf diesem Kontinent gewesen. Da ich vor zwei Jahren die Leitung der Diözesanstelle übernommen habe, war das sozusagen eine andere Seite.
Wir haben uns Gedanken gemacht, welche Region, welches Land denn für uns Priorität haben wird. Wir kamen dann auf Brasilien und vor allen Dingen auf die Amazonas-Region, weil wir da besondere Partnerschaften haben und weil diese Region auch in der Zukunft eine wichtige Rolle spielt.
DOMRADIO.DE: Welche Projekte unterstützen Sie dort zum Beispiel?
Ammann: Wir haben die lange Partnerschaft mit der Kirchenprovinz Fortaleza, das sind neun Diözesen, die ist jetzt über 50 Jahre alt. Wir wollten mit den Partnern schauen, wie die Partnerschaft auch bei knapper werdenden Mitteln bei uns in Zukunft gestaltet werden kann. Wir wollen also weg von einem regelmäßigen Zuschuss, mehr hin zu einer echten Partnerschaft.
Wir haben dort versucht die Bedürfnisse zu erkennen und gemeinsam im Gespräch zu sein und haben ganz stark auf den Dialog gesetzt. Wir haben dort eine ganz große Dankbarkeit für das vorgefunden, was wir bisher geleistet haben, aber auch für unser Angebot, stärker in den Dialog einzutreten und gemeinsam Projekte zu entwickeln.
DOMRADIO.DE: Hilfe zur Selbsthilfe, also Hilfe zum Unabhängigwerden?
Ammann: Ganz genau. Das ist das Ziel, dass wir als Erzbistum Köln in der Verantwortung stehen, die Partner, die wir bisher unterstützt haben, mit in die Unabhängigkeit zu begleiten.
Wir haben festgestellt, dass sich einige Diözesen auch schon auf den Weg gemacht haben, also auch schon einige Projekte mit bewirtschaften und den Umweltschutz vorantreiben. Solarenergie ist eine Priorität für viele Partner. Das möchten wir auch gerne unterstützen.
DOMRADIO.DE: Welchen Eindruck haben Sie in Brasilien gewonnen?
Ammann: Ich komme unheimlich bereichert zurück. Das habe ich selten auf Reisen so erlebt. Wir haben mit diesen neuen Gemeinschaften, die es in Lateinamerika, in Brasilien, gibt, zum Teil mit gelebt und haben eine sehr junge, sehr lebendige Kirche erlebt. Das war sehr mitreißend.
Insbesondere eine junge Gemeinschaft, bei der ich mit 53 Jahren immer der Älteste war, fand ich beeindruckend. Dort leben unsere Brüder und Schwestern und auch viele Laien einfach mit und machen dort ihr Sabbatjahr. Wenn man da zum Beispiel die Laudes mitfeiert, fängt der Tag einfach wunderschön an.
DOMRADIO.DE: Inwiefern kann man von der Glaubensfreude der brasilianischen Menschen etwas lernen?
Ammann: Ich glaube, das ist eine ganz andere Einstellung. Es ist eine gewisse Selbstverständlichkeit, die es bei uns nicht mehr gibt. Bei uns wird viel Kirchenpolitik gemacht, da geht es viel um Mitwirkung. In Brasilien geht es einfach darum, den Glauben zu leben.
Ich habe das auch bei meinen eigenen Kindern erlebt. Als ich ihnen Videos von diesen Gebeten gezeigt habe, haben sie gesagt, da geht es einem eiskalt den Rücken runter, da wären sie gerne dabei gewesen.
Ich glaube, dass dieses "einfach Jesus ins Zentrum stellen", einfach Christ zu sein, einfach das Evangelium nacherleben, etwas ist, was ich einfach so daher sagen kann. Aber ich habe es tatsächlich auch so erlebt.
Auch wenn wir in einem Kloster waren, gingen wir raus. Da waren Fischer in ihren einfachen Hütten und haben sich um viele Dinge gekümmert. Sie mussten selber dafür sorgen, dass sie Einnahmen haben. Sie haben Brot gebacken. Das wurde dann sonntags in diversen Gemeinden verkauft. Da macht einfach jeder mit. Da herrscht einfach eine Freude am Glauben. Das ist eine Selbstverständlichkeit.
Ich würde mir wünschen, dass wir uns davon anstecken lassen, einfach den Glauben zu leben. Ich weiß nicht, wie wir das hier machen können. Vielleicht laden wir so eine Gemeinschaft ein, einmal bei uns zu wirken.
DOMRADIO.DE: Das sind zwei unterschiedliche Kulturen, die sich unterschiedlich entwickelt haben. Da kann man wahrscheinlich nicht einfach sagen, dass man das hierhin verpflanzt. Es ist ja etwas, das wachsen muss, oder?
Ammann: Definitiv. Aber ich denke an unsere Missionare, die auch mit ihrem kulturellen Hintergrund vor vielen Jahren in diverse Kontinente ausgereist sind und sich auch anpassen mussten, die Kulturen lernen mussten und schauen mussten, wie kriegen sie eigentlich die frohe Botschaft vermittelt bekommen.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese jungen Missionare aus anderen Kontinenten, wenn sie zu uns kämen, auch diese Eigenschaft mitbringen würden, uns und unsere Kultur kennen zu lernen. Dann müsste man überlegen, wie man das, was in unseren Kulturen erfolgreich praktiziert wird, umgesetzt bekommt.
Das Interview führte Dagmar Peters.