Wie ein Mitglied den Synodalen Weg erlebt

"Ich fahre mit einer klaren Aufgabe nach Frankfurt"

Zum vierten Mal treffen sich Anfang September die 230 Delegierten des Synodalen Weges. Wie erlebt ein Delegierter den Streit mit dem Vatikan und die Arbeit hinter den Kulissen? Marcus Leitschuh kommt aus dem Bistum Fulda.

Eindrücke der dritten Synodalversammlung in Frankfurt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Eindrücke der dritten Synodalversammlung in Frankfurt / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Zum vierten Mal machen Sie sich jetzt in der übernächsten Woche auf nach Frankfurt. Wie bereitet man sich auf so eine Vollversammlung vor? Werden noch einmal alle Dokumente gewälzt?

Marcus Leitschuh / © Arnulf Müller (privat)
Marcus Leitschuh / © Arnulf Müller ( privat )

Marcus Leitschuh (Mitglied der Synodalversammlung aus dem Bistum Fulda): In der Tat bekommt man rechtzeitig vor der Sitzung Unterlagen per Post. Im Onlinesystem "Antragsgrün" finden sich auch alle Texte. Jedes Mitglied kann dort Anträge oder Änderungsanträge stellen und auch Anmerkungen machen. Dieses gegenseitige Kommentieren ermöglicht, dass wir zwischen den Vollversammlungen auch Kontakt halten und uns vorbereiten können.

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie sieht denn das Drumherum aus, wenn Sie zusammenkommen? Sitzt man zum Beispiel noch bis morgens an der Bar?

Leitschuh: Vor allen Dingen sitzt man bunt gemischt. Das können Sie sich so vorstellen, dass man nach Alphabet sortiert wird. Man weiß also nicht, neben wem man sitzen wird, weil das Alphabet auch mal rückwärts oder diagonal über Tischreihen laufen kann. Da lässt man sich immer was einfallen, damit man nicht mit seiner "Mannschaft" zusammensitzt, sondern wirklich durcheinander.

Diese Mischung ermöglicht schon einmal eine Menge an Gesprächen und gegenseitigem Kennenlernen. Das setzt sich dann bei den Mahlzeiten an großen runden Tischen fort. Manchmal findet man ein kleines Kärtchen auf dem Tisch und weiß, dass man sich beispielsweise zum roten Tisch zum Abendessen begeben soll. Und natürlich gehört es dazu, die Gespräche an der Hotelbar oder in der umliegenden Gastronomie fortzusetzen, was durch Corona leider etwas schwierig geworden ist.

DOMRADIO.DE: Es kann dann also sein, dass man einen Bischof am Tresen trifft?

Leitschuh: Genau. Das ist auch ganz lustig, weil man Persönlichkeiten trifft, die man aus den Fernsehnachrichten oder dem Radio kennt. Plötzlich steht man bei einer Tasse Kaffee zusammen und spricht über Privates oder darüber, was im letzten halben Jahr passiert ist. Ich finde das sehr wichtig, dass man eben nicht den Funktionär sieht bei dieser Versammlung, sondern tatsächlich den Menschen dahinter, und dass man das gemeinsame Katholische erkennt.

DOMRADIO.DE: Sie wissen, dass die Reformideen bei manchen negativ aufstoßen, nicht nur im Vatikan. Es gab zum Beispiel auch zwei Protestschreiben aus Polen und Skandinavien. Was macht das mit Ihnen? Wie fühlt sich das an?

Leitschuh: Das fühlt sich komisch an, weil oft dann in Diskussionen oder auch im Internet einem das Katholischsein abgesprochen wird. Man wolle eine andere Kirche oder eine evangelische Kirche 2.0. Das sind ja noch die harmlosen Vorwürfe. Das ist ärgerlich, weil es so nicht ist, weil wir alle, die dort sind, tief katholisch sind und motiviert sind, diese Kirche zu verändern.

Wenn man dann noch liest, dass Unwahrheiten verbreitet werden. Niemand wird jemanden zwingen, irgendetwas am Ende zu verändern. Die Bischöfe sind laut Statut am Ende diejenigen, die jede einzelne Entscheidung in jedem einzelnen Bistum umsetzen oder auch nicht, so wie das in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten auch schon war. Da wird überhaupt keine Revolution gemacht und da wird niemand gezwungen. Wenn dann der Vatikan schreibt, man dürfe das nicht, dann staunt man, weil wir das auch gar nicht vorhaben. Das sind so ganz ärgerliche Momente.

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns mal auf die großen Knackpunkte zu sprechen kommen: das Thema Zölibat, das Thema Homosexualität und das Thema Frauenweihe in der Kirche. Das sind große Veränderungen, die sich der Synodalen Weg wünscht, aber die es nicht geben kann, weil der Vatikan entscheiden muss. Mit welchen Hoffnungen fahren Sie jetzt das vierte Mal nach Frankfurt? Wenn man doch weiß, ein Großteil von dem, was da so besprochen wird, wird gar nicht umgesetzt werden.

Leitschuh: Ich fahre zunächst einmal mit einer klaren Aufgabe nach Frankfurt. Die Aufgabe heißt, Dinge, die den Missbrauch womöglich begünstigt haben, zu verhindern und zu erschweren. Das ist der Auftrag der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Viele andere Themen müssen andere Gremien überlegen. Da haben wir auch eine Weltsynode demnächst.

Wir haben diese Fragen, die Sie gerade zitiert haben, und da gibt es verschiedene Hierarchien. Bestimmte Dinge können tatsächlich in jedem Bistum heute schon umgesetzt werden. Dafür bedarf es keinen Papst oder Vatikan. Zum Beispiel die Frage, wie man Laien beteiligen möchte an der Bischofswahl. Das kann jetzt jeder Bischof in seinem Bistum überlegen, wie das dort am besten funktionieren kann.

Es wird aber auch Texte geben, in denen steht: Wir bitten den Vatikan oder den Papst zu überlegen, ob dafür eine Synode auf Weltebene einberufen wird oder sogar ein Konzil. Das sind Bitten, Vorschläge und Ideen, die auch eingespeist werden in den Weg des Papstes, der ja eine synodale Kirche möchte. Das sagt er ja immer. Genau das tun wir jetzt. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR
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