Synodalmitglied Arnold wünscht mehr Dialog mit Kritikern

"Stärker auf die Weltkirche hören"

Zur vorletzten Vollversammlung des Synodalen Weges werden die kritischen Töne intern und extern immer lauter. Thomas Arnold aus Leipzig wünscht sich ein offeneres Miteinander mit Kritikern und eine stärkere deutsche Stimme in Rom.

Thomas Arnold bei der 3. Synodalversammlung in Frankfurt (Archiv) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Thomas Arnold bei der 3. Synodalversammlung in Frankfurt (Archiv) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Mit welchen Gefühlen gehen Sie denn in diese vierte synodalen Versammlung?

Thomas Arnold
 / © Dominik Wolf (KNA)
Thomas Arnold / © Dominik Wolf ( KNA )

Thomas Arnold (Direktor der Katholischen Akademie Dresden-Meißen und Mitglied der Synodalversammlung): Zuerst einmal habe ich unter dem Arm einen ganzen dicken Ordner mit Textentwürfen, über die wir diskutieren werden, digital über das sogenannte "Antragsgrün" ein ganzes Portfolio an verschiedenen Positionen, über die wir streiten werden.

Und die Gefühlslage ist, glaube ich, genau in diesem Spannungsfeld, dass wir einen unwahrscheinlichen Berg an Herausforderungen zu bewältigen haben und Positionen zu vereinen haben. Wir werden viele Debatten erleben in den nächsten Tagen, wo heute noch nicht ausgemacht ist, was das Ergebnis sein wird.

Und ich wünsche mir zutiefst, dass das passiert, was Bischof Overbeck in der ersten Synodalversammlung damals in Frankfurt sagte: dass wir auch auf unsere Debattenkultur schauen, dass wir nicht nur auf die Ergebnisse schauen. Die sind ohne Frage wichtig. Aber dass wir auch ein Zeichen über katholische Grenzen hinaus setzen, wie wir miteinander umgehen. Wie wir einmütig – im besten Fall – zu Entscheidungen kommen.

Dass das auch ein Vorbild sein kann, für unsere Bundesrepublik. Ich komme aus einem anderen Landstrich als das Münsterland oder das Rheinland. Ich wünsche mir, dass die Kirche gerade hier sichtbar ist, dass wir zeigen: Wir können auch anders. Man muss sich nicht verfeinden, sondern man kann miteinander zu Lösungen kommen, um Probleme zu beseitigen und den Weg in die Zukunft zu gehen. Meine Gefühlslage ist mit großer Spannung, mit großer Erwartung, aber mit dem Bewusstsein: Das wird sicher gut.

Thomas Arnold

"Ich wünsche mir, dass die Kirche gerade hier sichtbar ist, dass wir zeigen: Wir können auch anders."

DOMRADIO.DE: Nun gibt es ja aber auch einiges an Konflikten rund um den Synodalen Weg. Es gibt zum Beispiel mehrere offene Briefe aus anderen Ländern, zum Beispiel auch aus der Diaspora in Skandinavien. Man möge sich mehr auf die Verkündigung des Evangeliums konzentrieren, als nur auf Fragen von Macht und Organisationsstrukturen. Sie leben ja selbst in Sachsen in der Diaspora. Wie stehen Sie dazu?

Arnold: Ich lebe in einer Region, wo nur drei Prozent katholisch sind und die wenigsten Menschen nach dogmatischen Vereinbarungen oder Konfliktlinien zwischen den Konfessionen fragen, sondern wo sie auf das Leben der Menschen gucken, wie sie leben. Und jeder Christ, jede Christin steht am Ende auch ein Stück weit für die gesamte Kirche. Wenn aber das Gesamt der Kirche Mist gebaut hat und schuldig geworden ist, dann ist auch das Zeugnis des Einzelnen in Misskredit gebracht.

Wenn wir von Evangelisierung sprechen, dann bin ich fest davon überzeugt, dass wir vorausgehen und unsere Fehler aufarbeiten müssen als Institution, dass wir schauen müssen, wo wir strukturelle Veränderungen herbeiführen können, dass so wenig wie möglich solche schweren Verfehlungen, wie sie in den letzten Jahrzehnten geschehen sind, passieren.

Und dann – glaube ich – können wir auch wieder schauen, wie wir einzelne Menschen stärken in der Evangelisierung, in der Frage des Sprechens und Lebens, eines christlichen Zeugnisses in unserer sehr pluralen Welt befähigen können. Am Ende ist es der Einzelne, der von Gott erzählt, mit seinem Handeln und mit seinem Reden. Aber wir als Institution müssen natürlich die Strukturen dafür so gut wie möglich schaffen.

Und das haben wir in den letzten Jahren nicht gemacht. Das ist jetzt dran. Und deswegen bin ich der Meinung, auch für die Diaspora-Situation braucht es Veränderungen: Mehr Transparenz, mehr Partizipation und Gewaltenteilung. Und da sind die Probleme keine anderen als im Rheinland und im Münsterland.

Aber was man natürlich schon auch zur Kenntnis nehmen muss: Wo weniger sind, sind auch weniger engagiert. Das heißt, wenn wir jetzt über Partizipation zum Beispiel eines Synodalen Rates nachdenken, wo Ehrenamtliche auch gefordert werden sich einzubringen und mit zu beteiligen, dann wird sicher die Frage in der Diaspora sein, wo gerade auch im ländlichen Raum eine hohe Ausdünnung des Religiösen und der Christen und Christinnen da ist, wie kann das ganz praktisch umgesetzt werden?

Ich habe beim synodalen Ratsbeschluss im Forum "Macht" auch mitgearbeitet und habe da sehr stark für votiert, dass wir ganz deutlich auch benennen: Da müssen zum Beispiel andere Gremien abgeschafft werden, denn was wir nicht brauchen, ist ein Gremienkatholizismus, sondern wir brauchen eine Struktur, die befähigt, missionarisch wieder in die Gesellschaft hineinzugehen.

Thomas Arnold

"Was wir nicht brauchen, ist ein Gremienkatholizismus, sondern wir brauchen eine Struktur, die befähigt, missionarisch wieder in die Gesellschaft hineinzugehen."

DOMRADIO.DE: Das sind aber nicht die einzigen Konfliktlinien. Aus dem Vatikan kam im Sommer ein Schreiben, das dem Synodalen Weg explizit untersagt hat, etwas an den Machtstrukturen zu ändern. Eigentlich könnten Sie jetzt einpacken, oder?

Arnold: Oder ein stärkeres Werben für unsere Ideen einsetzen. Denn was ich in den letzten Monaten des Öfteren gehört und erlebt habe, ist, dass man in Rom die kritischen Töne deutlicher wahrnimmt, dass man in Rom natürlich auch Zeitungs- und Medienberichte wahrnimmt, die immer etwas zugespitzte und pointierte Thesen auch in der Öffentlichkeit immer verbreiten. Aber der Synodale Weg mit den dicken Aktenordnern, von denen ich sprach, ist ja mehr.

Da sind ganz viele Nuancen drin und viele theologisch kluge Überlegungen. Und mir scheint, dass man diese Überlegungen noch einmal viel stärker in Entscheidungsgremien in Rom mit einspielen sollte. Das ist quasi auch die Einladung ans Präsidium des Synodalen Weges, an Verantwortliche aus den Foren, nicht auf die Einladung des Papstes zu warten, sondern vor Ort regelmäßig anzuklopfen und zu sagen: Schaut mal, das sind unsere Ideen, über die beraten wir.

Wie weit ist es möglich, in unserer Kultur diese Veränderung vielleicht anzustreben? Was müssen wir auf weltweiter Ebene in der Einheit mit der Weltkirche bedenken? Also die Einladung: Geht und lasst uns nach Rom gehen und von unserer Hoffnung erzählen auf diese Veränderungen, vielleicht auch ein Vorbild sein für andere.

Und das andere ist aber auch – und auch dazu möchte ich ermutigen – , dass wir noch einmal stärker auf die Weltkirche hören. Der Papst hat ja gebeten, den synodalen Prozess, den er selbst gestartet hat, deutlicher mit einzubeziehen oder unsere Synodalen Weg-Prozesse mit einfließen zu lassen in das große Internationale.

Ich bin froh, dass wir mit missio zusammen in Leipzig in Sachsen jetzt am 29. September einen großen internationalen Kongress machen, wo wir aus ganz verschiedenen Kontinenten Menschen zusammenbringen, begegnen lassen, um von ihren Themen reden zu lassen und diskutieren zu lassen. Was ist vielleicht auf anderen Kontinenten ein strukturelles Problem von Kirche, wirklich missionarisch wirken zu können?

Und aber auf der anderen Seite darüber nachzudenken, mit welcher Art und Weise können wir in Zukunft als Kirche zu Entscheidungen finden? Es geht also um Themen und es geht um die Art und Weise. Und ich merke, wir sind als Kirche international mit über einer Milliarde Katholikinnen und Katholiken an dieser Stelle in einem hohen Transformationsprozess.

Den jetzt mit Blick auf das weltweite auf die verschiedenen Kontinenten zu gestalten, da wünsche ich mir manchmal noch ein bisschen mehr Sensibilität in Deutschland. Und vielleicht könnte eine Lösung sein, dass wir neben allen synodalen Sitzungen und Vollversammlungen sagen, wir laden die, die wohlwollend auf diesen Synodalen Weg in Deutschland schauen, einmal ein und begegnen uns mit einem Kulturevent hier in Deutschland miteinander. Nicht die großen theologischen Themen machen wir zuerst auf, sondern wir kommen miteinander in Kontakt, um von unserem Leben zu erzählen.

Czeslaw Kozon, Bischof von Kopenhagen / © Julia Steinbrecht (KNA)
Czeslaw Kozon, Bischof von Kopenhagen / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Also der Schlüssel, und das ist – glaube ich – auch das Denken von Papst Franziskus, liegt in der Begegnung, um dann miteinander auch Wege zu finden. Bischof Kozon und die Bischofskonferenz aus Skandinavien hatten einen kritischen Brief geschrieben. Ich habe mich dazu kritisch geäußert über den Brief, und sofort am gleichen Tag noch eine E-Mail bekommen von dem Bischof, der gesagt hat: Lasst uns miteinander reden.

Und dann sind wir in den Austausch eingetreten, teils öffentlich im Podcast, teils auch vertraulich. Und das fand ich einen unwahrscheinlichen Gewinn und davon wünsche ich mir mehr. Lasst uns mit Kritikern und positiven Befürworterinnen und Befürwortern miteinander intensiv in den nächsten Monaten ins Gespräch kommen. Die Zeit rennt auch ein bisschen weg. Die Synodalversammlung hat ihre vorletzte Versammlung, muss man auch ehrlich sagen. Und deswegen glaube ich, lohnt es jetzt.

Das Interview führte Elena Hong.

Volles Programm bei Vollversammlung des Synodalen Wegs

Vor den Teilnehmern der vierten Vollversammlung des Synodalen Wegs zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland liegt ein volles Programm. Bei ihrem Treffen vom 8. bis 10. September in Frankfurt wollen die rund 230 Synodalen über insgesamt 14 Papiere beraten. Dazu zählen etwa Texte zur kirchlichen Sexualmoral und zum Zölibat, der verpflichtenden Ehelosigkeit von katholischen Priestern.

Fahnen weisen auf den Synodalversammlung des Synodalen Weges hin / © Max von Lachner (SW)
Fahnen weisen auf den Synodalversammlung des Synodalen Weges hin / © Max von Lachner ( SW )
Quelle:
DR