"Nach Beginn der Corona-Pandemie ist es uns erstmals wieder gelungen, sichere Orte für internationalen Austausch zu eröffnen", sagte die scheidende ÖRK-Vorsitzende Agnes Abuom in Karlsruhe, zum Abschluss der Versammlung mit rund 4.000 Teilnehmern
"Den Ertrag eines solchen spirituellen, theologischen und politischen Austauschs sollten wir nicht unterschätzen." Sie habe bei der Konferenz trotz der drängenden politischen Krisen weltweit und trotz des Ukraine-Kriegs viele "Signale der Hoffnung" gespürt. Wichtig sei es, künftig noch stärker jungen Christen im ÖRK Mitbestimmung zu eröffnen.
Horizonterweiterung
Die badische Landesbischöfin Heike Springhart sagte, die große weltweite christliche Gemeinschaft sei in Karlsruhe spürbar geworden.
"Das, was uns verbindet, ist so groß, dass wir auch bei kontroversen Fragen zusammenbleiben können", sagte die Bischöfin. Die vielen internationalen Kontakte und die damit verbundene Horizonterweiterung müssten jetzt auch im kirchlichen Alltag ankommen.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sprach in einer in Hannover veröffentlichten Mitteilung von gelebter "geistliche Verbundenheit der weltweiten Christenheit". Dabei seien insbesondere die Stimmen von Betroffenen gehört worden, "das gilt für den Krieg in der Ukraine ebenso wie für die Konflikte im Nahen Osten".
Bedford-Strohm neuer Vorsitzender
Zum Nachfolger der ÖRK-Vorsitzenden Agnes Abuom wählten die Delegierten den bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Der ÖRK könne helfen, aus christlicher Perspektive heraus drängende Zukunftsfragen anzugehen, sagte Bedford-Strohm.
Die Konferenz, die erstmals seit der ÖRK-Gründung im Jahr 1948 in Deutschland stattfand, klang am Donnerstag mit einem Gottesdienst im Karlsruher Kongresszentrum aus.
Überschattet wurde die Vollversammlung vom Krieg in der Ukraine. So verurteilte der Weltkirchenrat den russischen Angriff als "illegalen" und "ungerechtfertigten" Krieg. Das Leiden und Sterben müssten sofort enden, Russland seine Truppen zurückziehen, heißt es in einer ÖRK-Resolution. Zugleich wurden die europäischen Staaten aufgefordert, die "wachsende Militarisierung, Konfrontation und Waffenlieferungen" zu stoppen und stattdessen in zivile Friedenssicherungen zu investieren.
Harsche Kritik des Bundespräsidenten
Zu Beginn der Konferenz hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die russisch-orthodoxe Kirche scharf kritisiert. Es sei Gotteslästerung, den Krieg religiös zu rechtfertigen. Das Moskauer Patriarchat wies die Steinmeier-Kritik umgehend zurück. Auch der erhoffte Dialog zwischen russisch-orthodoxer und ukrainisch-orthodoxer Kirche kam nicht zustande.
In weiteren politischen Stellungnahmen äußerte sich der Weltkirchenrat etwa zum Nahostkonflikt und zum Kampf gegen den Klimawandel. So kritisierte der ÖRK die Politik Israels in den Palästinensergebieten, sprach von israelischen Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen und Gewalt gegen Palästinenser. Der "illegale" Siedlungsbau in Palästinensergebieten müsse enden.
Zugleich kritisierte das Papier auch Gewalt und fehlende demokratischen Strukturen auf palästinensischer Seite. Die zunächst vorgesehene Formulierung, Israel betreibe "Apartheid-Politk", sorgte für heftige Debatten, fand aber keine Mehrheit.
Christen in Jerusalem gefährdet
Ein dramatisches Bild zeichnete der ÖRK von der Lage der Christen in Jerusalem. Der Zugang zu heiligen Stätten werde verweigert, radikale Israelis griffen Christen an. Inzwischen sei die "multi-religiöse und multi-kulturelle Identität Jerusalems" in Gefahr.
Breiten Raum bei der Konferenz, die theologischen und politischen Austausch, Bibelstudien, Gottesdienste und Gebetszeiten verband, nahm der Klimawandel ein. So berichteten Indigene aus der Arktis, dass der Temperaturanstieg bereits ihre Lebensgrundlage zerstöre. Auch verabschiedete der ÖRK einen drängenden Appell zum Schutz von Umwelt, Klima und Artenvielfalt. "Wir müssen unseren anhaltenden menschlichen Egoismus, unseren Neid, das Leugnen von wissenschaftlichen Fakten und unsere Apathie überwinden, denn diese Haltungen gefährden das Überleben der gesamten Schöpfung", so der ÖRK.
Die gastgebende Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sprach von einem gelungenen Fest des Glaubens und des religiösen Austauschs. Die Vielfalt christlichen Lebens sei spürbar geworden und müsse im kirchlichen Alltag spürbar bleiben.
Die nächste ÖRK-Vollversammlung ist im Jahr 2030 geplant. Wo sie organisiert wird, wird erst in den nächsten Jahren entschieden.